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Ueber Leipzigs Buchhandel. Notiz: Die Grcnzboten haben in Nr. 6 die vortreffliche Broschüre von M. Veit: „die Erweiterung des , Schutzes gegen Nachdruck" (Berlin, Veit u. Comp. 4 833)-empfohlen; möge einem treuen Leser dieses Blattes gestattet sein, noch einige Bemerkungen dazu zu machen.
Im Jahre -1867 tritt für Preußens Buchhandel eine merkwürdige Epoche ein, deren Folgen aus die gesammte deutsche Literatur und Volksbildung sowie aus den Buchhandel selbst sich noch gar nicht übersehen lassen. Jedenfalls wird das Jahr denen, welche dasselbe erleben, die Erscheinung einer großen Revolutiou in Lectüre und Büchervcrkehr darbieten. In diesem Jahr nämlich werden die Werke aller vor 1837 verstorbenen Autoren, also die Werke unsrer classischen Litcraturperiode: Lessing, Herder, Goethe u. s. w. frei; sie werden voraussichtlich sofort in Hunderten von billigen und theuern Ausgabe», Auszüge» u. f. w. in das Publicum geworfen werden. Mancher Schriftsteller, welcher durch Ungunst der Zeit, die Ungeschicklichkeit seines Verlegers, unzweckmäßige Ausgaben u. s. w. einer unverdienten Vergessen-, hcit versallen ist, wird in dieser Zeit durch neue billige Ausgabe des Besten, das er geschaffen, wieder zu Ehren kommen', Hundertc von unglücklichen Wiederbelebungsversuchen untergegangener Autoren werden dem Büchcrgeschäst, dessen Solidität schon jetzt nicht übergroß ist, harte Stöße geben; und das Publicum wird das Beste und Schönste, was in deutscher Sprache geschrieben, ungemein billig, handlich in zweckmäßiger Ausgabe erhalten.
Für den Buchhandel Leipzigs aber wird, salls Leipzig im Jahre 1867 Noch Mittelpunkt des deutschen Büchergeschästs sein sollte, in diesem Jahr der Sarg gezimmert werden, wenn die sächsische Regierung sich nicht entschließt, bei guter Zcit das sächsische Schutzgcsetz dem preußischen anzupassen. Denn in Sachsen dauert das Autor- und Verlagsrecht nach den bestehenden Gesetzen bis zum Jahre 1873. Und es wird von 1867 an dem Preußischen Buchhändler der freie Verlag z. B. aller deutschen Klassiker erlaubt sein, während er dem Sachsen bis 1873 verboten ist. Ferner aber auch der sreie Verlag anderer Werke. Es ist wahr, daß nur wenig wissenschaftliche Werke dreißig Jahre nach dem Tode des Verfassers noch eine neue Auflage lohnen, eher vielleicht Erbauungsbüchcr und einzelne Lehrbücher.
Indeß liegt der Hauptuachtheil, welcher aus dieser Differenz der Jahre entsteht, für Leipzig darin, daß das ganze Cvmmissionsgeschäft dadurch ruiuirt wird. Oder wird es dem Leipziger Kommissionär erlaubt sein, Herders Werke oder Goethes Faust, welche z. B. bei Veit und Compagnie im Jahre 1867 erscheinen können, zu svediren? Nach sächsischem Gesetz sind diese Ausgaben bis zum Jahre 1875 uoch Nachdruck, also verboten. Es wird also in zwölf Jahren der Cvmmissions- und Verlagshandel sich massenhaft nach Berlin ziehen.
Und wird es den Leipziger Druckereien erlaubt sein, Bücher'zu drucken, welche vor dem sächsischen Gesetz Nachdruck sind? — Und wenn nicht, was wird das Jahr 1867 auch den Leipziger Druckereien bringen? Es sind allerdings noch zwölf Jahr bis dahin; aber es ist nicht erfreulich, selbst in zwölf Jahren eine tödtliche Auszehrung sicher vor sich zu sehen.
Im allgemeinen Interesse des deutschen Pnblicums aber liegt nicht, daß die preußische Gesetzgebung den Termin der Privilegien bis zum Jahre 1873 verläugerc, sondern daß die sächsische Negierung den ihrigen um acht Jahr verkürze.
Daß dies nicht in den letzten der zwölf Jahre geschehen möge, wird der lebhafte Wunsch aller Buchhändler sein. Ein Leser.
Herausgegeben von Gustav Freytag und Julia« Schmidt. Als verantworll. Redacteur lcgitimirl: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig, Druck von <i.. E. Albert in Leipzig.