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erschöpflicher Fülle zu, aber seine künstlerische Bildung hat bis jetzt etwas Unreifes und Krankhaftes. Er hat im „Erbförster" versucht, dem harten, peinlichen und widerwärtigen Schluß dadurch eine andere Wendung zu geben, daß er den Erbförster das vermeintliche göttliche Recht an sich selbst ausüben läßt. Ob das eine wirkliche Verbesserung ist, möchten wir bezweifeln. Der Fehler liegt tiefer, er liegt im Organismus des ganzen Stücks, welches auf ein Lustspiel angelegt sich plötzlich in eine Tragödie verwandelt. Diese Unangemessenheit, welche das Publicum richtig empfand, hat auf der Bühne den Erfolg deS Stücks beeinträchtigt, und wir können nicht sagen, mit Unrecht. Aber da das Stück jetzt der Lectüre offen steht, so wird das gebildete Publicum sich allgemein überzeugen, daß wir es auch in den Verirrungen mit einer Naturkraft zu thun haben, wie sie seit den Zeiten Heinrichs v. Kleist nicht wieder dagewesen ist. —
Ein schweizer Dichter.
Dichtungen von Johann Martin Usteri. Herausgegeben von David Heß. Zweite Auflage. 3 Bde. Leipzig, Hirzel. —
Der Ruhm hat zuweilen seine sonderbaren Launen,>, die aus der Natur der Sache nicht grade zu erklären sind. Alle Welt kennt Usteri als den Dichter des kleinen Liedes: „Freut euch des Lebens", von seinen Idyllen und Erzählungen ist dagegen in Deutschland wenig bekannt geworden. Für das eine würde der Grund ebenso schwer aufzufinden sein wie für das andere; jenes Lied ist recht sehr unbedeutend, während in den Erzählungen ein reicher Stoff vorhanden ist, der wol die Aufmerksamkeit eines jeden Freundes der Poesie verdient.
Usteri gehört zu jenen liebenswürdigen Persönlichkeiten, deren Gedächtniß man in der deutschen Literatur auf jede Weise hegen und pflegen muß, um nicht dem beliebten Vorurtheil anheimzufallen, daß man krank und verstimmt sein muß, um Poet zu werden. Er ist 1763 in Zürich geboren und 1827 gestorben. Mit Ausnahme einer Reise durch Deutschland und Frankreich 1783 ist sein Leben fast ganz ohne Ereignisse dahingeflossen. Er lebte in äußerlich guten Verhältnissen, geachtet und geliebt von aller Welt, zeichnete harmlose Caricaturen und allerliebste Genrebilder in großer Zahl mit einein Talent, welches an Chodowietzki erinnert, und trieb nebenbei systematische Studien der historischen Alterthümer, namentlich aus dem 16. Jahrhundert. Für die gesellschaftliche Entwicklung seiner Vaterstadt war er sehr thätig, und die allgemeine Künstlergesellschaft der Schweiz, die sich im Jahre 1806 bildete, war hauptsächlich sein Werk. Bescheiden wie in seinem Leben, war er auch in seinen Dichtungen , er.gab sie lediglich als Gelegenheitsstücke und legte nur Werth auf