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Neue historische Schriften.
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er selbst in der Vorrede zugesteht, daß die längere Beschäftigung mit seinem Gegenstand ihm eine größere Anerkennung desselben eingeflößt hat, als es unter andern Umständen geschehen wäre, der aber das Verdienst einer un­parteiischen Würdigung der Quellen nicht abgesprochen werden kann. Für die ideelle Geschichte Deutschlands ist dieser verfrühte Versuch, den nördlichen Theil unsres Vaterlandes zunächst in kirchlicher Beziehung sclbstständig zu machen, von großer Wichtigkeit, und die Energie der Idee mag an dem Leichtsinn der Ansstihrung vieles entschuldigen.

Mit großer Freude begrüßen wir die Negierungsgeschichte des Königs Maximilian von Baiern. Der Verfasser, Sohn des berühmten Ministers, an dessen Namen sich die versassnngsmäßige Entwicklung des Königreichs knüpft, und selbst eine Zeitlang in den Rath seines Königs berufen, hat die Ideen des Liberalismus, deren uns eine böswillige Sophistik gern entwöhnen möchte, treu festgehalten und sie in cvncreter, geschichtlicher Lebendigkeit durch­drungen. Solche einfache, ungeschmückte, aber gesinnnngstüchtige Darstellun­gen sind in unsrer Zeit von außerordentlicher Wichtigkeit. Man kann nicht leugnen, daß das konstitutionelle Princip in der neuesten Geschichte viele sehr empfindliche Niederlagen erlitten hat, und diese Niederlagen werden von den Feinden der guten Sache, die ihre eigennützigen Absichten mit dem Anschein höherer Weisheit überdecken, sehr geschickt ansgebeutet. Wenn man in frü­herer Zeit in den politischen Principien gar zu sehr generalistrte und der Uniformitat zn Liebe die endlichen Bedingungen der individuellen Entwicklung zu sehr vernachlässigte,' so ist diese Neigung jetzt in das Gegentheil überge­schlagen. Man hat eingesehen, daß eine Staatösorm,, die sich unter besondern Umständen glücklich bewährt hat, darum noch nicht ohne weiteres auf jeden beliebigen Inhalt angewendet werden kann, und'man hat diese Einsicht nach der gewöhnlichen Neigung unsres Volkes zu Abstractionen dahin ausgedehnt, daß man überhaupt jede Regel und Form als etwas Gleichgiltiges ansieht. Allein der so sehr beliebte Vergleich der staatlichen Entwicklung mit dem Orga­nismus der Naturwelt sollte, wenn man ihn sorgfältig prüft, zn ganz ent­gegengesetzten Resultaten führen. Zwar wird der weise Arzt mit seinen Mit­teln ans vie individuelle Constitution seines Patienteil Bedacht nehmen müssen, und er wird nicht aus seinem Medicinbuch für jedes Leiden ein allgemeingil- tigeö Medicament Heranssuchen; allein die Gesetze über die Natur der Krank­heit bleiben doch überall dieselben, und die Rücksicht auf die besondern Umstände hebt die Beachtung c>er Regel nicht anf. So ist es auch mit dem politischen Leben. Es wäre freilich sehr übereilt, wenn wir den Codex eines in der höchsten politischen Ausbildung begriffenen Volks ohne Unterschied ans alle Völker an­wenden würden, auch auf solche, die eben erst in die Geschichte eintreten; wenn wir z. V., weil in dem Lande der Erbweiöheit eine erbliche Paine

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