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und zum Schluß wird wieder eiue Beschreibung derselben Person gegeben: Auch erbebt ihr entschleiert Gesicht vor den Blicken der Männer, Wie des Morgens der Kelch nachtblütiger Blumengcstirne, Die berauscht von krystallenen Perlen die Stunde versäumten, Holdschämig erzittert, wenn plötzlich die Strahlen der Sonne Neugierig die schutzlos erschlossenen Tiefen betasten, — Und schüchtern crrothend in reizender Hcrzensvcrwirrung, Verhängt mit >en Wimpern die Sterne der Augen das Mädchen, Um die Seele zu schleiern inmitten verrathener Schätze, Und sich selbst zu verweigern das Zeugniß der eignen Entweihung. Diese gezwungene, mit Bildern überladene, gewaltsam gesteigerte Krast- sprache, die stark an den Opiumrausch erinnert, würde nur dann ihre richtige Wirkung ausüben (selbst von den einzelnen handgreiflichen Jncörrectheiten abgesehen), .wenn sie als Contrast in einzelnen ergreisenden Stellen aufträte, wo die Phantasie schon hinlänglich gespannt wäre, alles über sich ergehen zu lassen und auch alles zu begreifen. Allein wenn es durch daS ganze Gedicht so fortgeht, so tritt der Uebelstand ein, daß der Dichter der-Phantasie seines Lesers eine Anstrengung zumuthet, bevor er ihm etwas geboten hat. Um jene Einleitungsverse auch nur grammatisch zu verstehen, muß man sie einige Male hin- und herlesen, und diese Anstrengung widerstrebt der natürlichen Beschaffenheit des Recipirenden, der vor allem Genuß verlangt. Zuerst muß der Dichter uns durch den Stoff anziehen und fesseln, dadurch stärkt er die Spannkraft unsrer Phantasie und macht uns geneigt, ihm auch auf ungebahnten Pfaden zu folgen: oder er muß uns wenigstens, wie Byron im Anfang des Giaur, » gleich etwas so Glänzendes bieten, daß wir in eine höhere Welt entrückt werden. Aber, dazu reichen die Kräfte unsres Dichters nicht aus.
Die Eintönigkeit dieser polternden Kraftsprache wird noch durch die Eintönigkeit des Versmaßes verschlimmert, welches höchst unglücklich gewählt ist. Man wird bemerkt haben, daß dieses Versmaß aus dem Herameter durch Wcg- lassung der ersten Silbe gebildet ist. Aber durch diese Weglassung verliert das Versmaß allen Charakter. Es gelingt dem Dichter nicht, was er beabsichtigt, eine Art von anapästischem Rhythmus herzustellen, sondern es wird jener amphibrachische Tonfall daraus, der sich gereimt uud au komischen Gegenständen, z. B. in Bürgers „Kaiser und Abt", drollig genug ausnimmt,-aber für einen ernsten Stoff viel zu hüpsend und weichlich ist. Waldau hat denselben Fehler begangen, wie Kleist in seinem „Frühling", aber der Herameter mit einer Vorschlagsilbe erinnert doch immer noch mehr an den ursprünglichen Tonfall, als der verkürzte Herameter.
Die Zerstossenheit der Form wird noch durch die träumerische Wendung verstärkt, welche gegen das Ende hin der psychologische Inhalt der Fabel nimmt. Es ist das ein Zug, der ursprünglich nicht in Waldalis Natur liegt, den wir Grenzlwte». I. 186». 42