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Goethes Prometheus vollständig : ein Beitrag zur Goetheforschung.
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Goethe der Greis sie kannte: man weiß nach 80 Jahren genan, was Goethe damals gewollt hat, obgleich er selbst uns sein Wollen anders kundgegeben hat; man hat unumstößlich nachgewiesen, daß Goethe irrte, als er sein Gedicht Prometheus"*) für ein Stück Fortsetzung des gleichnamigen Dramas**) erklärte und daß vielmehr dieses Drama kein Fragment, sondern ein voll­endetes Werk ist.***)

Ob aber jenes Gedicht, wenn es nicht wie Goethe später meinte der Anfang eines dritten Aufzugs sein kann, eben nur ein den Kern des Dramas in sich schließendes Gedicht sür sich sein sollte wie Viehoffl') will - oder aber als Anfangsmonolog des umzuarbeitenden Dramas bestimmt war wie Düntzer annimmt darüber schwebt der Streit noch.

Mir scheint nichts von diesem richtig; ich vermuthe vielmehr, daß dasselbe als Monolog dort eingeschoben werden sollte, wo jetzt im zweiten Aufzuge das kurze, sich zum Theil am Schlüsse des Gedichts wiederfindende Selbstgespräch des Prometheus steht:

Sieh nieder, Zeus,

Auf meine Welt: sie lebt!

Ich habe sie gefvrmt nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei.

Zu leiden, weinen, zn genießen und zn freuen sich,

Uud dein nicht zn achten,

Wie ich!-!"!-) . Meine Gründe sind kürzlich folgende:

Um am Anfang eines nenen Dramas zu stehn, wohin es Düntzer setzt, ist das Gedicht allzu gehaltreich. Als Eingang müßte es schlechthin betäuben; der Trotz gegen den Göttervater wäre zu plötzlich ausgebildet; die Menschen­erschaffung fiele zu plump ins Stück herein.

Läßt man dagegen das jetzige Drama bis zur zweiten Scene des zweiten Actö unangetastet gelten, so tritt zwar Prometheus auch hier gleich bei der Eröffnung trotzig aus, aber doch noch unterhandelnd; sein Trotz entwickelt sich erst stärker, da Merkur und Prometheus ihn zum Nachgeben drängen. Dieser Trotz wird auch durch die erste Scene des zweiten Acts gewissermaßen gerecht­fertigt, da sich Merkur wiederholt ölos als Gegner mit schroff aristokratischen Prätensionen zeigt, welche Prometheus, der die Götter nur nach ihrem Boten beurtheilt, für das Wesen auch des Zeus nehmen durfte, obwol dieser in der

Goethes sämmtliche Werke in ii> Bänden- Z- Band, S. «>2 nud 7. Band, S. 2i8. ") Ebenda, 7- Band, S. ZZ» fgg.

Goethes Promcthens nnd Pandora. Ein Versuch zur Erklärung uud Ausdeutung dieser Dichtungen. Von Heinrich Düntzer. Nenc mit einem Nachtrage vermehrte Ausgabe- Leipzig, Dyrschc Buchhandlung. 18!ii. (S. 4-0 fg.). 1-) Eommentar zu Goethes Gedichten I, Zi8 fg. Goethes Werke. 7. Band, S. 2il.