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Wir habe» seit kurzem zwei Prinzen in unsren Mauern. Am vergangenen Montag langte nämlich, nachdem Prinz Napoleon bereits seit Anfang d. Mts. hier weilt, der Herzog von Cambridge mit Gefolge hier an. Das Journal de Kon- stantinoplc gibt den Grund seiner Rückkehr nicht richtig an, wenn es versichert: es walteten dabei Gesundheitsrücksichten ob. In Wahrheit hat der Prinz sich mit dem britischen Commander in chief Lord Raglan nicht länger zu stellen vermocht, und wenn ich recht unterrichtet bin, hat er gegen denselben sogar cüie Anklage anhängig gemacht. Die bestehenden Zwistigkcitcn schreiben sich vom 2S. October ^Schlacht von.Balaklava) her, wo der Herzog im Widerspruch mit Lord Raglan der Ansicht war, man müsse sofort französischen Beistand erbitten, jener aber an dem Entschlüsse festhielt: den Strauß allein anstampfen zu wollen. Wie der Prinz behauptet, sei infolge dieses Starrsinns die britische leichte Reiterbrigade vernichtet worden.
Der Stand der Dinge in der Krim ist schwer zu definiren, indeß machen die darüber hier eingegangcneu Nachrichten den Eindruck, als habe er sich zum Besseren gewendet. Einen neuen Halt haben sicherlich die diesseitigen Operationen dnrch die' immerhin bedeutenden Verstärknngen erhalten, welche seit Eröffnung des Feuers (seit 17. October) nach nnd nach, und namentlich in den jüngsten Tagen, anlangten. Mir lag ein Brief von unterrichteter Hand aus Balaklava vor, in welchem diese Verstärknngen während der ersten Hälfte des Monats November aus etwa 15,000 Maun veranschlagt werden, worunter -10,000 Franzosen.
Die Entschließung des Kaisers Napoleon lll., zwei neue Divisionen (Dülac und Salles) nach der Krim zu werfen, hat hier bei den Militärs von Fach den ungeteiltesten Beifall gefunden. Beinahe mochte ich indeß wünschen, daß er über drei, anstatt zwei, dispvnirt hätte. In diesem Augenblick sormirt man in der Krim eine ö. französische Division unter General Pati. Jene beiden unter Dulac und Salles briugeu demnach den Esfectivbestand der französischen Armee vor Sebastopol auf volle sieben Divisionen, oder, die Division zu 9000 Mann gerechnet, aus 63,000 Mann. Hätte man acht Divisionen, so würde 'man sranzösischerseits keinen Augenblick zaudern, unter Nücklassnng von zwei (Divisionen) vor der Festung, mit den sechs andern einen Schlag im freien Felde gegen die russische Armee unter Dauuenberg zu versuchen nnd es wäre zehn gegen eins zu wetten, daß mau sie schnell bis Perekop zurückwerfen würde. Nichts ist verderblicher als Sparsamkeit im unrechten Zeitpunkt.
Wie man hört, sind neuerdings die ins Stocken gerathen gewesenen Belagerungsarbeiten vor Sebastopol wieder ausgenommen worden, dergestalt, daß man am 26. November bereits aus der dritten Parallele, welche ans 100 Metres von der Hanptenceinte abliegt, mit der doppelten Sappe vorbrechen konnte. Haben die Russen, wie die Sage es ihnen zuschreibt, wirklich Minen angelegt, so müssen dieselben nunmehr bald ins Spiel kommen. — Anch an den Batterien ist von französischer Seite weiter gearbeitet, worden. Man scheint dazn die Kanonen des gescheiterten „Henry IV." verwendet zn haben. Sehr gerühmt wegen ihrer ausgezeichneten Lage wird eine große Batterie in der zweiten Parallele und zwar im Centrum des französischen Angriffs. Sie soll aus 80—90 Feuerschlünden ^ bestehen und General Bizot daran seine Meisterschaft im Placiren der Zerftörungswaffe bekundet haben.
Es verlautet hier durchaus nichts von Operationen an der Donau, wiewol das