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Religionsphilosophie.
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dem Wilden geziemt, der noch nicht weiß, daß der Geist über die Natur er­haben ist.

Diese naive Natursymbolik des Schreckens, aus welcher der Begriff des Göttlichen hervorgeht, ist aber wohl zu unterscheiden von einer zweiten reflec- tirten Natursymbolik, die in die bereits vorhandene Religion in gutem Glauben oder auch in bewußter Auslegung ihre Speculationen überträgt. Ein Zeitalter der sieben Weisen, welches bereits asfectlos speculü't, welches sich Gedanken darüber macht, welches das erste der Dinge sei, ob die Materie in irgend­einer elementaren Form, oder das Atom, oder die Zahl, oder das Sein im allgemeinen, oder das Werden u. s. w>, ist nicht schöpferisch in Beziehung auf die Religion, aber es hat einen großen Einfluß auf die veränderte Auffassung der Religion, grade wie die entwickelte astronomische Kenntniß bei einem Volk, welches durch die Lage des Landes gezwungen ist, zum Behuf des Ackerbaues einen Kalender einzurichten.

Ein Volk, welches keiner historischen Entwicklung fähig ist, wird in der Fortbildung seiner Religion zwischen diesen beiden Extremen schwanken und wird bei der innern Verwandtschaft derselben den Anschein einer größern Ein­heit und Harmonie zu gewinnen wissen. Ein Volk dagegen von frisch bewegtem Leben wird zwischen diese beiden Momente ein Zeitalter wirklicher Gottheiten und Heroen einschicken, welches von der alten Natursymbolik nur höchstens die Namen beibehält. Der Wilde sucht in der Religion zunächst nur die un­bekannte Ursache der Naturerscheinungen; das historische Volk dagegen ist mit der Antwort gleich bei der Hand; es gibt sie im anthropomorphistischen Sinne, es verdichtet die abstracte Ursache zu concreten Gestalten, und die Ausmaluug dieser Gestalten wird ihm bald die Hauptsache. Ein solches Zeitalter herbei­zuführen, reicht die individuelle Poesie nicht aus, das ganze Volk muß daran gearbeitet haben, wenn aus vem Naturfatalismus sich eine gestaltenreiche und lebendig bewegte Plastik der Götter entwickeln soll.

Oestreich und Preußen.

So oft Preußen schon die günstigsten Situationen versäumt hat, um den Beruf, den ihm seine Natur und seine Geschichte anweist, zu erfüllen, so scheint das Schicksal doch unermüdlich zu sein, ihm immer neue Wege zu eröffnen, für sein eignes und für das Interesse Deutschlands zu wirken. In der Lage, in der es sich jetzt zwischen den kriegführenden Mächten befindet, konnte ihm kein Ereigniß günstiger sein, als der ausgebrochene Zwist zwischen den beiden Parteien in Dänemark, die früher die gemeinsame Feindschaft gegen Deutsch-