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Die Leipziger Abonnementconcerte im Winter 1854-55. 1.
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begeisterten Pietät für ein großes Kunstwerk, aus dem unermüdlichen Pflicht­gefühl für eine würdige Darstellung desselben hervorgegangen, war sie schön und großartig. In dieser Pietät und Kunstliebe, in der Sorgfalt und Ausdauer des Studiums kann nnd soll unser Orchester mit allen wetteifern. Allerdings ist es mit dem guten Willen des Dirigenten und des Orchesters nicht allein ge­than ; denn sorgfältiges Einstudiren verlangt viel Zeit und viele Proben, und diese, müssen bezahlt werden. Allein dies ist wiederum ein Punkt, wo übertriebene Sparsamkeit am unrechten Orte sein würde. Die Mitglieder unsres Orchesters sind leider nichts weniger als glänzend gestellt, nnd niemand bringt der Kunst und der Ehre der Concerte größere Opfer als eben sie. DaS Direktorium und daS Publicum, welches jenem die pecuniären Mittel darbietet-, erfüllen nur eine aus vielen Rücksichten gebotene Pflicht, wenn sie durch zahlreiche, nicht allzu kärglich bezahlte Proben es den Mitgliedern des Orchesters möglich machen, ohne die unerträglichsten Anstrengungen durch unbelohnte Zeit und Mühe das zu leisten, was sie selbst vielleicht noch mehr als das Publicum von sich fordern.

Wenn von Bestrebungen der Art in dem Concertprogramm nichts zu fin­den ist, so erhalten wir leider auch dafür keine Znsicherung, daß in Beziehung auf die Wahl der aufzuführenden Werke eine großartigere, consequentere, auf einen künstlerischen Zusammenhang gerichtete Auffassung maßgebend sein werde als es bisher der Fall gewesen ist. Das früher gegebene Versprechen,unter­stützt durch die ausgezeichnetsten hiesigen Kunftmitttel, umfangreichere Kunstwerke älterer und neuerer Zeit öfter noch, als bisher möglich wurde, zur Aufführung zu bringen und dadurch nicht nur den Einfluß der Gewandhauöcvncerte auf Erhaltung .und Fortbildung unsres gesammten musikalischen Kunstlebens immer mehr erweiter», sondern auch den wohlverdienten Ruf derselben, sowie die Ach­tung, welche das Kunsturtheil unsers Publicums genießt, immer fester begrün­den zu helfen" dies Versprechen ist jetzt ganz fortgeblieben. Es ist nur lobens­wert!) etwas nicht zu versprechen, welches halten zu können man nicht gewiß ist. Aber ein trauriges Zeichen ist es, wenn das Direktorium diejenigen Be­strebungen, welche, wie es selbst andeutet, auf das Höchste und Wichtigste ge­richtet sind, aus was immer für Gründen glaubt fallen lassen oder in den Hintergrund schieben zu müssen. Dagegen erfahren wir nur, daß das Direc- toriuin darauf bedacht gewesen ist, möglichst gute und tüchtige Kräfte für Solo­gesang und Solospiel zu sichern. Daß dieses einseitige Hervorheben der Lei­stungen der Virtuosität als des eigentlichen Schwerpunktes der Concerte auf einem bedauernswerthen Verkennen dessen, was die Concerte der Kunst und dem Publicum leisten sollen, beruhen, das wollen wir jetzr nicht von neuem auseinandersetzen. Allein selbst für die zu erwartenden Leistungen auf diesem Gebiet können wir nur eln übles Prognostikon stellen. Denn diese allgemein