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Einfluß gewonnen, und wo die herrschende Classe fortfahren wollte, ausschließlich nach harmonischer, stoffloser Ausbildung zu streben, würde sie nothwendigerweise Macht und Einfluß einbüßen, sie würde also aufhören, die herrschende Classe zu sein. Diesem Untergang der erclusiven Adelsherrschast durch das Ausstreben der bürgerlichen Thätigkeit kann kein moderner Staat entgehen, keine Junkerverschwörung kann ihn aufhalten, und wo bei einem Volke das Bürger- thum sich innerhalb des Staatslebens gar keine Stellung errungen hat, wie bei den Polen, tritt die Geschichte die Nation unerbittlich in den Staub, so romantisch und rührend auch das Schauspiel dieses Todeskampfes fein mag.
Allein das Institut des Adels hat eine sehr schöne Bedeutung, wenn man es nicht als einen bleibenden Zustand, sondern als ein Mittel zur allge.meinen Erziehung des Volkes auffaßt. Diejenigen Völker, die ohne Adel aufgewachsen sind, entbehren in ihrem Leben zum Theil der schönsten Güter. Niemand wird den großen Sinn der nordamerikanischen Freistaaten verkennen, die voraussichtlich dazu bestimmt sind, einmal der Geschichte eine neue Richtung zu geben. Aber wenigstens in den gegenwärtigen Zuständen wird auf jeden unbefangenen Beobachter die herrschende Demokratie einen höchst widerwärtigen Eindruck machen. Es gibt wol in Amerika einen Unterschied der Classen, aber die Mächtigeren und Reicheren genießen ihre bevorzugte Stellung nur in der Stille für sich, in einem frivolen und würdelosen Lurus; im öffentlichen Leben muß jeder, der etwas gelten-will, wenigstens den Anschein der Pöbelhaftigkeit annehmen, er muß der Masse, der er dient, nachweisen, daß er zu ihr gehört. Die gemeinen Leute rächen sich wegen ihrer weniger begünstigten Stellung durch Nohheit gegen die Reichen, von denen sie sehr wohl wissen, daß sie mit zu ihnen, zum Pöbel, gehören. Wo der endliche Verstand ausreicht, übertreffen die Amerikaner alle Völker, aber was das Leben adelt, was ihm allein den Reiz der Idealität gibt, ist ihnen völlig fremd. Wo sie nur einen Funken von Idealität in sich sühlen, flüchten sie ihn in ein ausschweifendes und unsinniges Sectenwesen. — Man vergleiche damit die Franzosen, deren gesellschaftliche Zustände man insofern demokratisch nennen kann, als alle einzelnen einander gleichstehen, aber in umgekehrtem Sinne wie bei den Amerikanern, denn jeder einzelne von ihnen ist ein Edelmann, bis zum Bedienten herunter, der die Beleidigung empfindet uud rügt. Diese schöne Ausbildung der Person bei den Franzosen dürfen wir ebensowenig vergessen, als ihre Elasticität in der Bildung neuer Formen, die. sie aus scheinbarer Anarchie immer wieder zu neuer organischer Gestaltung befreit, wenn wir, wie es jetzt so häufig geschieht, vorschnell über ihre Berechtigung innerhalb der Weltgeschichte aburtheilen wollen. Zwar haben die Formen ihrer Sittlichkeit zuviel von dem romantischen Wesen ihres Vorbilds, des Adels, angenommen, der Ernst des bürgerlichen Wesens, der uns Deutsche ziert, ist ihnen fremd geblieben, dafür erfreuen sie