444
verstehen und die daher nur nach fertigen Stichwörtern verlangten, und die agirenden Personen waren durchaus planmäßig, organisirt, so daß sie eine Verschiedenheit der Ansichten gar nicht aufkommen ließen. Nun hatte man damals allgemein das Bedürfniß, zu politisiren; wer das also im Vaterlandsvereine nicht besriedigen konnte, ging in den deutschen Verein. So waren nun zwei Parteien vorhanden, die einander Concurrenz machten. Um daö mit Erfolg thun zu können, mußten sie einen bestimmten Inhalt suchen, und diesen gab ihnen der Anschluß an die allgemeinen politischen Verbindungen. So wirkt die Verschiedenheit des Stils auch auf den Inhalt ein.
Wir wollten durch diese Andeutungen nur darauf aufmerksam machen, daß man bei der Wahl einer Partei noch keineswegs die Principien derselben vom ersten bis zum letzten Paragraphen aussprach, sondern sich nur vorläufig orientiren wollte. Die eigentliche Parteibildung fand an den Orten statt, wo die parlamentarischen Versammlungen zusammentraten, und hier war wieder das Unglück, daß zwei solche Mittelpunkte entstanden, die allgemeine deutsche Nationalversammlung und die Kammern der einzelnen Staaten.
In den letzteren hatte fast überall die unbedingte Opposition oder die Demokratie ihren Ausdruck gefunden. Man schickte seine Abgeordneten nach Berlin oder nach Dresden, um gegen den Schulzen, gegen den Bürgermeister, gegen den Gerichtsdnector, gegen den Landrath, gegen den Polizeibeamten, gegen den Steuereinnehmer und wenn es höher kam, gegen den Regierungsrath, gegen den Edelmann u. s. w. zu vppouiren. So fanden wir z. B. den Dresdner Landtag in der schönsten Harmonie, nachdem die neue Verfassung gegeben war. Wenn wir nicht irren, waren in beiden Kammern nur fünf Personen antidemokratisch (drei davon hatte Leipzig gestellt), und wenn eine von diesen Personen einmal die unerhörte Kühnheit hatte, das Wort zu ergreifen, so wurde ihr das in der Regel mit ernster Rüge abgeschnitten. Unter diesen Umständen hatte denn auch die Kammer trotz ihrer großen Einigkeit den größeren Theil des Publicums gegen sich, denn man sand sich ihr an Bildung überlegen und wurde dadurch verstimmt. — In Preußen war zwar die sogenannte rechte Seite ungefähr in derselben Stärke wie die linke, aber sie war ganz ohne Inhalt, ohne Führer, ohne Vorkämpfer, und wenigstens ein Theil der linken, die Fraction Waldeck, kam durch ihren geistvollen, conseqnenten und energischen Führer zu einer bestimmten Richtung. In allen übrigen Fractionen, namentlich in dem sogenannten linken und rechten Centrum, wurde ohne Sinn und Verstand erperimentirt. Mit einem liebenswürdigen, aber für uns jetzt sehr wunderlichen Behagen malte sich jeder Assessor, der darin saß, und der sich den Kossäthen und Schulzen, seinen College», überlegen fühlte, aus, ob er nicht durch eine geschickte Abstimmung Minister werden könne und richtete nach diesem Gesichtspunkte seine Handlungsweise ein. Theilnahme für-diese National-