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Demokratische Studien.
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Man erinnere sich, mit welcher cynischen Gemeinheit das angeblich die Sache der Regierung vertretende Blattder Freimüthige" über die Liberalen Hersiel. Man mag sich noch so eifrig sagen, daß die Theilnahme gemeiner Persönlich­keiten an der gegnerischen Seite diese noch nicht vollständig charakterisirt. Wer wollte so vollkommen Herr über seine Gemüthsbewegungen sein, um dergleichen Angriffe mit unerschütterlicher Gemüthsruhe hinzunehmen? Wenn die Gegen­sätze so.scharf ausgesprochen sind, ist die Mittelpartei in einer sehr schwierigen Stellung. Sie werden von beiden Seiten gleichmäßig zurückgewiesen und ver­lieren immer mehr an Boden. Die Grundlagen der demokratischen Partei in Königsberg waren also keineswegs die kleinen Leute, der niedere Bürger­stand, diese wurden vielmehr theilweise leicht bestimmt, sich der Aristokratie an­zuschließen, sondern die gebildete bürgerliche Gesellschaft.

Nun vergleiche man damit z, B, die Leipziger Parteibildung. Hier war von einer eigentlichen Aristokratie keine Rede. Einen Adel gibt es nicht, die we­nigen Offiziere und Beamten haben keinen gesellschaftlichen Mittelpunkt, sie verlieren sich in der Masse. Es geht zwar zuweilen das Gerücht von einer Aristokratie, die aus den alten Firmen, aus den wohlhabenderen Banquierhäu­sern ,u. s, w. bestehen soll, allein diese kann um so weniger eine Opposition gegen sich hervorrufen, als man sie nirgend bemerkt. Wenn von einer reaktionären Partei in Leipzig die Rede sein kann, so sind es theils die ängst­lichen Männer, die sich vor jedem Lärm scheuen und die daher jeden hassen, der Lärm macht, theils diejenigen, die aus übrigens ganz löblichem Patriotis­mus der Ueberzeugung sind, Deutschland könne nicht eher gerettet werden, als bis Sachsen seine alten Provinzen wiedererobert. Da sie in Beziehung auf diese Ansicht der großen Masse ihrer Standesgenossen gegenüberstehn, so schla­gen sie sich in kritischen Fällen in der Regel zur Reaction, obgleich eigentlich von aristokratischen oder auch absolutistischen Wünschen bei ihnen keine Rede ist. Dagegen war die gesellschaftliche Trennung zwischen der Mittelclasse und den kleinen Leuten seit alter Zeit sehr groß, namentlich seitdem die letzteren durch einen so äußerst geschickten und talentvollen Mann, wie Robert Blum, organisirt waren. Beide Classen der Gesellschaft waren liberal und es wäre schwer gewesen, überall.genau festzustellen, worin eigentlich der Unterschied in ihren Ansichten bestand. Desto handgreiflicher war die Verschiedenheit in ihren Umgangsformen, in der Art und Weise, wie sie politisirten. Man erinnere sich an die Gründung des Vaterlandsvereinö und des deutschen Vereins. Die Programme derselben stimmten fast wörtlich überein, kleine Unterschiede waren leicht auszugleichen gewesen. Aber die Art und Weise, wie in dem Vater­landsvereine discutirt würde, machte es der gemäßigten Mittelclasse unmöglich, 'sich an demselben zu betheiligen, denn die Masse des Publicums bestand aus den kleinen Leuten, die vollkommen unfähig waren, eine wirkliche Discussion zu

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