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Erinnerungen an Kotzebue : 1761 bis 1819.
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saß die Feinde zurückschreckt, ein finstrer König,, der von den Geistern seiner Erschlagenen verfolgt wird, und öfters Erscheinen von Frauen mit fliegenden Haaren. Die" rührenden Kinder fehlen diesmal, dagegen ist ein kleiner Zug zu bemerken, der insofern von Wichtigkeit ist, als er den fortgesetzten Kampf Kotzebues gegen die Vorurtheile versinnlicht. Gustav Wasa, der das ganze Stück hindurch in den mannigfaltigsten Verkleidungen von seinen Verfolgern gepeinigt wird, hat einmal einem Ritter das Ehrenwort gegeben, seinem Ge­fängniß nicht zu entfliehen, und ist doch entflohen; er ist demselben außerdem eine große Summe schuldig geblieben. Der Ritter, der im Anfang sehr beleidigt ist, wird durch Rührung zu seinen Gunsten gestimmt. Dieser Zug hat nicht den geringsten Einfluß auf den Fortgang des Stücks, man muß ihn also als einen principiellen auffassen.Bayard" ist echter Kotzebue. Er theilt eine fabelhafte Menge von Almosen aus, rettet fortwährend die gekränkte Unschuld, entsaft seiner Liebe unter erschwerenden Umständen mehre Male, lebt als Gegen­bild der Octavia nur für seine Pflicht und steht mit engelgleicher Gelassenheit über dem Gefühl schlechter Leidenschaften. Solche Figuren entsprangen dem bösen Beispiel Mar Piccolominis. Den unglücklichen Frauen, die sich in die­sen edlen Ritter verlieben, bleibt nichts übrig, als in Knabentracht für ihn zu sterben.

Die höchste Höhe erreichte Kotzebues idealistische Poesie in dcn Hussiten vor Naumburg (1803). Er nannte dasselbe ein Trauerspiel mit Chören und huldigte durch diese Gesänge, die^fast nur von Kindern vorgetragen werden, der Idee der Braut von Messina. Diesmal spielen die Kinder, die in den übrigen Stücken Kotzebues trotz ihrer Wichtigkeit durch hineintrctende ältere Personen wenigstens einigermaßen verdeckt werden, die Hauptrolle. Sie mar- .schiren in ihrer engelgleichen Unschuld, geführt von dem Viertelsmeister Wolf, der als tugendhafter Mann sein Liebstes dem Vaterland« opfert, den vorgestreckten Spießen der grausamen Hussiten entgegen. Diese senken sich vor dem rühren­den Anblick, die schrecklichen Menschenfresser werden milde und weich und unter Thränen allgemeiner Rührung schließt das Stück, das sogar bei Wieland sehr bedeutenden Beifall fand.

Unter den übrigen idealen Tragödien erwähnen wir Hugo Grotius (1803), ein rührendes Familienstück, mit politischem Hintergrund. Grotius ist der reine, edle, unschuldige Dulder, der umringt von jammernden Kindern und von einer wahrhaft tyrannischen Willkür verfolgt, doch niemals der Stimme seiner Leidenschaft Gehör gibt, sondern unverdrossen für das Beste der Mensch­heit arbeitet. Charakteristisch ist aber ein Zug, den wir später beim jungen Deutschland häufig wieder gntreffen. Der Prinz von Oranien, der Barneveldt unschuldig hinrichten läßt, und Grotiuö längere Zeit in Kerkerhaft hält, ist eigentlich auch ein tugendhafter Mann, sorgt nur für das Beste der Mensch-