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und die Liebenden in den Schoß der Kirche aufnimmt. Das ist nun freilich wieder ein echt Kotzebuescher Zug. Denn so tolerant gegen die Stimme der Natur war die damalige Kirche keineswegs, und wäre sie es gewesen, so wäre die ganze Basis des tragischen Conflictes weggefallen.
Pas ursprüngliche Wirken Kotzebues war ein unbefangenes gewesen, er hatte für den Geschmack des Publicums gearbeitet, und dieses war ihm begeistert entgegengekommen. Anders wurde die Sache, als er nach einem kurzen verunglückten Versuch, die Stelle eines Dramaturgen in Wien zu übernehmen, 1798 nach Weimar kam. Hier war die ideale Dichtkunst in voller Blüte, und trotz seiner äußern Erfolge mußte er fühlen, daß er diesem hohen Kreise als Profaner gegenüberstand. Namentlich waren es die rigoristischen Eiferer für die ideale Poesie, die Schlegel, die ihn mit offenen und verkappten Angriffen peinigten. Um sich zu rächen, schrieb er die Posse: der hyperboräische Esel oder die heutige Bildung, die 1800 in Leipzig ausgeführt wurde. Der Witz dieses Stückes ist gering': die verrückten Aphorismen Friedrich Schlegels aus dem „Athenäum" und der „Lucinde" sind einem sta^kgeisti'gen Jüngling in den Mund gelegt, der von aller Welt verhöhnt und endlich ins Tollhaus abgeführt wird. Aber die Wirkung blieb doch nicht aus, denn der Unsinn jener Aphorismen wirkte durch seine eigne Schwere. Kurze Zeit darauf wurde Kotze- bue auf einer Reise nach Rußland ergriffen, nach Sibirien gebracht, später wieder begnadigt und angestellt. Nach dem Tode Kaiser Pauls begab er sich nach Weimar zurück. Den nicht ganz passenden Moment der Verbannung wählte Aug. Wilh. Schlegel, um sich an ihm zu reiben. Er schrieb'1800 die bekannte „Ehrenpforte für den Theaterpräsidenten Kotzebue", die außer einer Reihe von Sonetten und Distichen eine dramatische Burleske enthält, in welcher ein großer Theil der Kotzebueschen Personen aufgeführt werden, um ihren Vater und Erzeuger aus Sibirien zu befreien. Die Anlage des Stücks ist gut und einzelne Momente sind mit großer komischer Kraft erfaßt, aber ^ das Ganze ist zu nachlässig und in einer zu unfreien Stimmung gearbeitet. Es ist schade darum, denn da die Masse der Kotzebueschen Stücke mit der Zeit wol verloren gehen wird, so wäre es für die Nachwelt ein unbestreitbarer Gewinn gewesen, die Quintessenz derselben in einem poetischen Bilde ausbewahrt zu haben. Kotzebues Stellung wurde dadurch im wesentlichen nicht' verändert. Von dem Kreis der Eingeweihten blieb er wie früher ausgeschlossen, und die Anerkennung des Publicums, das früher auf seiner Seite gewesen war, wurde nicht erschüttert. Nur durch seine Intriguen ^verdarb er sich das Spiel in Weimar; er suchte, als Goethes „natürliche Tochter" mit einem sehr geringen Erfolg über die Bühne gegangen war, die Anhänger Schillers zu einer großen Demonstration gegen Goethe' zu vereinigen. Das Unternehmen schlug fehl und er verließ Weimar 1802, um sich nach Berlin zu begeben, wo