Beitrag 
Winterbilder aus Stambul.
Seite
289
Einzelbild herunterladen
 

38S

Winterbilder aus Stambul.

Konstantinopel den 18, März.

. Es ist ein Irrthum, wenn man meint, die Dauer des Winters sei hier be- . deutend kürzer als im mittleren Deutschland. Allerdings fällt das Thermometer ^iu Koustantinopel fast nie so tief, daß über den fließende»'Gewässern eine feste Eisdecke erzeugt wird; wenn es dann und wann einmal vorkam, daß die so­genannten süße» Gewässer, d. h. jene beiden bei Ejnb und Kut-Hana ins gol­dene Horn einmündenden Bäche froren, so geschah es gleichsam nur ansuahms- weise; aber nichtsdestoweniger darf mau annehmen, daß die Jahreszeit, in welcher hier Wege und Straßen ziemlich unprakticabel find, in den Zimmern ein Ofen oder ein Kohlenbecken nicht füglich zu entbehren ist nnd der Pelz unter den Kleidungsstücken des täglichen Auzuges eine Rolle spielt, ziemlich fünf Mouatc läng, also so lange als bei uns der Winter währt. Was man aber am wenig­sten vermuthen mag, ist, daß jene kalte Jahreszeit weit empfindlicher auch von Nordländern hier wcchrgenommeu wird, als bei uns Tage des strengsten Frostes. Anch wird man sich diese Thatsache nicht eher erklären können, als.bis man sich mit der Banart der hiesigen Häuser, mit ihrer iuneru Einrichtung, vertraut gemacht hat.

Montesquieu hatte nicht unrecht, als er die Türken mit dem Namen eines am Bospor campirendeu Volkes belegte. Wirklich ist Stambul keine Stadt in in unsrem Sinne, von welchem Begriff man die Vorstellung großer, mehrstöckiger, massiver Häuser nicht trenneu kann, sondern ein Mittelding zwischen jener und einem Zeltlager. Die leichte Bauart Londons ist bekannt genug. Man kaun, wenn man aus Paris oder aus Berlin kommt, sich nicht genug über jene schmalen, meist nnbeworfenen und nnabgeputzteu Bäcksteinmanern wundern, aus denen die Hunderttausende von Hänsern der Weltstadt, eins wie das andere, sormirt sind. Dennoch verhält sich ein Stambuler Kouak gegeu einen solchen Bau wie eiu Kartenhaus. Man baut hier meistens ohne Fuudameut, wenn man unter solchem eine haltbare Unterlage versteht, ohne Stein und Kalk, weseutlich aus Holz und Lehm oder sonstiger fetter Erde, wozu für die innere Bekleidung der Zimmer noch eiu marmorhart werdender Abputz kommt. Seinen innern Halt findet ein solches Haus iu einem Rippwerk, um nicht zu sagen Balkeugerüst, aus meistens sehr düunen Latten, d. h. die unteren Etagen selbst haben hier nicht ganz die Stabilität, welche bei nus in Deutschland nnd auch anderwärts die Dächer zu haben pflegen. Was sonst unzulässig wäre, uämlich auf einen so leichten Unterbau mehre Stockwerke zu stellen und dieselben wohnbar zu macheu, d. h. iu den Stand zn setzen, beim Hinundhergehen nicht der Tendenz der Schritte zu folgen nnd in ein unaufhörliches Schwanken zu gerathen, das wird hier nnr Grenzbote», II. 1854. 37