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darf sich natürlich eine solche Anklage nicht stützen. Es sollte und' dürfte aber auch kein müßiger Zuschauer diesen Einwnrf erhebe», ja kaum dem sachverständige» Juristen, und wäre er selbst Mitglied des Schwurgerichtshöfes gewesen, mochte ich dies zugestehen. Man muß selbstthätig wiederholten Berathungen der Geschwornen beigewohnt haben, um hierüber ein Urtheil zu haben. Mir scheinen-nur^ zwei Eigenschaften für einen tüchtigen Geschworenen erforderlich: der sittlich ernste Wille, das Recht und die Wahrheit zu finden, und eine gesimde, durch das Lebe» gebildete Urtheilskraft. Was darüber ist, ist —.Mindestens überflüssig. Wie die Geschworeuenliste, auf der ich mich befand, zusammengesetzt war, habe ich oben angegeben, und aus sechs Berathungen ist mir der Eindruck der frendigstcn Genugthuung geblieben, unter Männern der .verschiedenste» Stände, der Mehrzahl nach Banern, eine so feste sittliche Gesinnung uud eine solche Schärfe deö Urtheils gefunden z» haben, wie ich sie — offen gestanden — Nicht erwartet hatte. Es kommt hinzu, daß einzelne Unbefähigte, die wol einmal mit unterlaufen, durch das AblehnuugSrecht des Staatsauwalts leicht beseitigt werden können; ja es ist vorgekommen, daß die Mehrzahl der Geschworenen selbst einen darauf gerichteten Wunsch zn erkenne» gegeben hat. Man könnte ferner einwenden, da gewöhnlich der durch geistige Bildung am meisten Bevorzugte Obmanu werde, so sei es wo.l' znletzt sein Werk,' wenn ein ordentlicher Wahrspruch zu Staude komme. Ich selbst habe mich allerdings mit ängstlicher Sorgfalt gehütet, irgendeinen bestimmende» Einfluß geltend zn machen, aber ich habe mich aus der Berathung verwickelter Fälle die Ueberzeugung gewonnen, daß es vielleicht möglich sein würde,, über Nebenumstände, die- eine besonders schärft Begriffsbestimmung erfordern, das Urtheil'einzelner Mitgeschworenen'zu beherrschen, daß dies aber keinem Obmanne bei der Hauptfrage „Schuldig oder nicht" gelingen könne. Es fragte sich unter andern«, ob ein Zimmermann, der bei einem Auflaufe vom Zimmerplatze kommend seiu Beil zur Haud gehabt, aber nicht benutzt hatte, als „bewaffneter Theilnehmer" auzuseheu sei. Sofort erfolgte aus der Mitte der Geschworenen die logisch unverbesserliche Aeußerung: „hier war das Beil sein Werkzeug, also keine Waffe." Hätte dagegen der „intelligenteste", Obmann etwas ausrichten können? Ein audres Beispiel für die Gewissenhaftigkeit der Geschwvreueu berührt zugleich die Frage, ob man Geschworene» politische Processe anvertraue» dürfe, zu deren praktischer Beantwortung uns glücklicherweise weiter keine Gelegenheit gegeben war. Ein Polizeibeamter hatte Aeußerungen zur Anzeige gebracht, welche zwei Handwerker iu einer stark angetrunkenen Kirchweihgesellschaft über den Regenten eiues benachbarten Staates gethan habe» sollten, Aeußerungen, die, wenn erwiesen, nicht straffrei bleiben konnten. Nach geschlossener Verhandlung stellte der Gerichtshof die Fragen: „Ist A.'schuldig? ist B. schuldig? Waren A. und B. bis Bewußtlosigkeit betrunken? „Wäre es den Geschworenen aus einem demokratische» Gelüste darum zu thun gewesen-, die Angeklagten durchschlüpfe» zu lasse»,