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Empfindlichkeit gegen jedes fremde Urtheil, auch das unbedeutendste, und er verfiel leicht in die wildeste Ausregung. Er liebte es, in schauerlichen Geschichten und Vorstellungen zu schwelgen. Schuberts Ansichten von der Nachtseite der Natur, sowie die mystische» Schriften der Gnostiker gehörten zu seiner Lieblingslectüre. — Als er zuerst in die Literatur eintrat, war seine Weltanschauung pantheistisch. Ein zufälliges Ereignis;, das er mit tiefem uud warmem Gemüth auffaßte, bekehrte ihn zum Christenthum, das sich zuerst i» seinen Albigenseru vernehmlich macht. — Auch über den Verkehr mit dem wunderlichen Justinus Kerncr finden sich einige Notizen. So erzählt er selbst sein erstes Zusammentreffen. „Ein Diener wies mich eine Treppe hoch in die Wohnung des Doctors. Ich trat in eine Stube, sie wär leer; ich wartete eine Weile, da mir aber uiemcmd entgegenkam, öffnete ich die Thüre der zweiten Stube, auch diese war leer, in die dritte endlich eingetreten, sah ich ein wunderliches Bild: ans dem Boden ausgestreckt, lag laug und breit ein Maun, ihm zur Seite eine Frau, zur linke» und rechten von ihnen Kinder. Sie lagen -unbeweglich, doch konnte ich merken, daß sie lebten. Ich blieb betroffen stehen, die liegende Gruppe that ebenfalls nicht dergleichen, als ob ein Fremder eingetreten wäre. Ich nannte endlich meinen Namen. Ah willkommen, lieber Niembsch! Wir probircn da eben, wie es sein wird, wenn wir so nebeneinander im Grabe liegen werden." -— Der Herausgeber des Buchs gibt einige verständige Bemerkungen über die Stellung Lcnaus zur übrigen Literatur. Er führt seinen Grundchärakter aus Holty zurück, vergleicht ihn dann mit Byron und macht auf eine» charakteristischen Unterschied aufmerksam. „Byron, wenn ihn das Leben am schmerzlichsten ergriffen hat, flüchtet zu deu schauerlichen Schönheiten der Natur, sie besänftigen, sie beruhigen ihn; Lenau empfängt von ihnen erst die herbsten Schmerzen ... er greift wie ein Kind, das sich mit der Erscheinung im Spiegel nicht begnügt, hinter denselben uud will sie körperlich fassen." —
Der Freun dschaftsbund Schillers und Goethes, von Prof. Weber. Weimar, Bvelan. — Eine Gelegenhcitsrede, in der mit Verstand und Gefühl das Verhältniß unserer beiden großen Dichter auseinandergesetzt wird, aber ohne daß etwas wesentlich Neues dariu geboten wäre. —
Kaiser Heinrich IV., Trauerspiel in zwei Theilen, von Julius Schrader. Berlin, Trowitsch u. Sohn. — Der Verfasser entwickelt ein warmes poetisches Gefühl und wenigstens hin und wieder auch, einen tüchtigen historischen Sinn. Aber leider geht er auch von dem Irrthum aus, daß das Drama der Compofition entbehren könne. Die Scenen sind lose, ohne alle Ordnung aneinandergcfädelt, eine Sünde, die freilich Goethe im Gotz von Berlichingen und andere Dichter auch begangen haben, die aber dafür den Leser dnrch anderweite reiche und in die Augen springende Schönheiten entschädigten. Das ist hier wenigstens nicht im hinreichenden Maße der Fall. — Die poetische Einleitnng erweckt sür das Gemüth des Versassers lebhafte Theilnahme, nnd das gilt auch von seinen „Elegien", die in demselben Verlage erschienen sind. Der Verfasser empfindet ernst und würdig, aber er hat zu wenig schöpferisches Talent, um diesen Empfindungen die angemessene Gestalt zn schaffen. —
Deutsche Geschichte von Rudolph von Habsburg bis aus die neueste Zeit, von Professor Karl Hagen, Frankfurt a. M., Meidinger Sohn. —