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Aus Konstantinopel.
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nen. Fast alle Miethreitpferde sind vvu ihnen in Anspruch genommen, was bei ihrer notorischen Unknnde, dieselben kunstgerecht zn führen, das Passiren ans den engen und kothigen Gassen unter Umständen zu einer schwierigen Operation für den einfachen Fußgänger macht.«

Die Reise des Snltans scheint wiederum ans längere Zeit hinausgeschoben, wordeu zu sein. Wie Sie wissen, war sie anfangs anf den 22. März augesetzt. Man kann indeß jetzt mit ziemlicher Gewißheit behaupten, daß sie nicht vor An­fang oder Mitte Mai angetreten werden wird. Reiseziel ist Adrianopel. Man sagt für gewiß, daß die Gesandten der Großmächte den Kaiser begleiten, werden. Die Schwierigkeiten für ein diplomatisches Corps in jener Stadt die nöthigen nnd dem Range entsprechenden Wohnnugeu zn finden sind nicht so groß, als mau wol annehmen mag. Es hat nämlich Adrianvpel eine große Anzahl Kouaks oder türkischer Häuser im höhern Stil anfzuweiseu, vvn denen sich einige recht gut als interimistische Gesandtschäftspalais herstellen lassen würden. Das Serail oder Gouvcrnementhanö selbst ist ein außerordentlich großes und von außen selbst imponirendes Gebäude, wenn ich mich recht erinnere aber nur aus Holz auf­geführt.

In denjenigen der hiesigen Kreise, die Interesse an literarischen Erscheinungen nehmen, werden augenblicklich diealbanischen Studie»" des östreichischen Con- suls von Hahn eifrig gelesen und verfehlen nicht, viele Anerkennung zu finden. Man kann nicht leugnen/ daß man in denselben ein aufrichtiges, von der Partei- leideuschaft des Augenblicks frei gebliebenes Bnch vor sich hat. Worin sich Herr von Hahn bei seiner Auffassung türkischer Zustäude im besonderen vortheilhaft vor manchen seiner Vorgänger auszeichnet, das ist die Trene, mit der er das Beobachtete wiedergibt, und die Unbefangenheit, mit der er die Einwirkung der türtischen modernen StaatSorganisation auf die Bevölkerung anerkennt. Seine statistische» Leistuugeu siud über alles Lob erhaben. Man muß ans eigner Er­fahrung wissen, welche Schwierigkeiten es hat, hier zn Lande Nachrichten der Art zu sammein, nm den Fleiß des Verfassers nnd seinen feinen Takt bei Scheidung des Wahren vom Falschen gebührend schätzen zn können.

Wie Sie wissen werden, ist der Pforte von Seiten Englands nnd Frank­reichs eine Geldofferte im Belaufe vvu 20 Millionen Franken gemacht worden, welche Snmme auch schon dem türkischen Finanzminister zur Verfügung gestellt worden sein soll. Dieselbe ist sofort rückzahlbar, wenn Namik Pascha in London mit seinen Anleiheprojecten reüssirt haben wird. Nebenbei will ich bemerken, daß letzterer wol nicht der beste Zwischenträger war, den man wählen konnte. Seine Unkenutniß in allen Verwaltuugszweigeu, deueu er jemals vorzustehen hatte, ist groß, sein Verstaub beschränkt' nnd er gehört außerdem zur alttürkischen Partei, was noch am ehesten seine Wegsendnng 'erklärt. Namik Pascha ist groß vvn Gestalt, ein angehender Sechziger, dem änßeren Eindruck »ach, sein Gesicht echt türkisch, die gebogene Nase vorspringend, der Teint sehr gebräunt. Er war der Reihe nach Gesandter in London, Gouverneur von Syrien, dann von Bag­dad, Großmeister der Artillerie und gegenwärtig Handelöministcr. Von fremden Sprachen versteht er nur französisch und, wie mau sagt, persisch.

Die Witterung war in den letzten Tagen rauh uud wir mußten jede» Mor­gen, um über die Straße zu gelangen, tief im Schnee waten, der gegen Mittag erst der Sonne zn weichen begann. Dabei steigt die Noth zusehends unter den ärmeren Classen uud Unsicherheit, Ranb nnd Mord mehren sich. Als eigenthüm­liche Erscheinung erwähne ich, daß die Fleischprcise seit drei Tagen bedeutend ge­fallen sind. Mau will im Publicum daraus folgern, daß Konstantinopel nicht un­mittelbarer Bestimmungsort der englisch-französischen Truppen sein werde.