Beitrag 
Wochenbericht.
Seite
475
Einzelbild herunterladen
 

47S

wurde, um die Stelle des Fürsten Gortschakoff einzunehmen, sondern lediglich mit dem Auftrage den Donauübergang zu executiren. Eiue Entfernung des Fürsten, in diesem Augenblick, von seinem Commando würde zu sehr wie ein bereuendes Eingeständniß der erlittenen Niederlagen aussehen, als daß man annehmen dürste, Kaiser Nikolaus werde sich dazu entschließen können.

Den 2. März.

Unser Interesse wird in diesem Angenblick nach den verschiedensten Richtungen ge­theilt. Kaum sind die Ereignisse des Kriegsschauplatzes noch Mittelpunkt desselben. Neben den beiden Theatern am Kaukasus und an der Donau, haben wir Serbien ins Auge zu fassen, wo die interessantesten Dinge in der Entwicklung begriffen sind; sodann Mon­tenegro, in dessen Bergen ein gegen die Türkei gewendeter nationaler Ausstand ausgcbrochen ist, der um so bedenklicher erscheinen muß, als die Regierung die Nachrichten von dort her unverkennbar verheimlicht. Albanien mit seiner im Gange befindlichen Empörung ist ein anderes Object und endlich sind wir gespannt ans das, was sich in London, Paris nnd Wien, in Hinsicht auf die hiesige Wcltkrisis, zuträgt.

Um vom Kriegsschauplatz an der Donau zuerst zu reden, muß ich Jhucu gestehen, daß die Ncuigkeitsqucllen darüber sehr spärlich fließen. Omcr Pascha scheint noch in Schnmla zn weilen; überhaupt lassen die öffentlichen Blätter, namentlich in Deutschland, und darin besonders die Korrespondenzen von der Donan her, ihn mehr reisen, als es wirklich der Fall ist.- Für den Kenner großer Operationen ist es kaum nothwendig darauf hinzudentcn, daß derjenige, welcher die Vertheidigungsanstalten ans einer Strom­linie von gegen 100 Meilen Ausdehnung zu leiten hat, sich nothwendig dauernd dem Mittelpunkte derselben nahe befinden muß, und daß ein längeres Verweilen auf einem der Flügelpunktc nothwendig die Gefahr des Verzuges für dringende Maßregeln auf dem entgegengesetzten herbeiführen muß. Diese Rücksichten weisen dem osmanischcn Gcne- ralcnchef Schumla oder Nustschuck zum Hauptquartier au. Weuu Sie daher vernehmen, daß Omcr Pascha ersteren Ort nicht verließ, so wollen Sie daraus uicht auf seine Un- thätigkcit schließen. Er befindet sich daselbst auf seinem naturgemäßen Posten.

Der russische Obergcncral, Fürst Gortschakoff, scheint sich dagegen nach wie vor in der Nähe der Hauptarmcemassc, die gegenüber den türkischen Vcrschanznngcn von Kalasat conccntrirt ist, anszuhalten. Wenn dieser Umstand deutlich aus eine hier beabsichtigte ent- schcidende Action hinwies, so muß man nichtsdestoweniger gestehen, daß die Russen unsere Gcdnld über die Gebühr hinaus aus die Probe stellen. Seit Ankunft des Generals Schilder bei der Donauarmce, die 'man als Signal des Angriffs bezeichnet hatte, sind nunmehr beinahe vier Wochen verflossen, und noch haben die russischen Vorposten keinen Schritte vorwärts gethan.

Durch dieses, im russischen Interesse ganz unverantwortliche Zaudersystem des Fürsten sind unschätzbare Momente für die Kriegsopcrationcn verloren gegangen. Wenn man einen Donanübergcmg in Absicht hatte, mußte man bis Ende Jannar ihn ausführen, demnach in der ersten Hälfte jenes Monats die Türken ans der Stellung von Kalasat herauswerfen. Nnnmchr den Strom zu passiren wird im Laufe der nächsten Wochen kanm möglich sein, auch dann nicht wenn Kalasat von den Türken Wider alles Erwarten geräumt werden sollte. Der alte Jster pflegt nämlich mit jedem Frühjahr seine Fluten weit über ihr sonstiges Niveau zu erheben. Die Hochwasser , - 60*