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Die letzte Woche preußischer Politik.
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Action der Westmächte durch das Anerkenntnis daß sie im europäischen Interesse handeln, noch mehr moralischen Nachdruck zu leihen, uud für den Fall weiterer Berwickeluugeu einem principlosen, bloßen Zufälligkeiten unterworfenen Würfelspiel mit Allianzen vorzubeugen. Innerhalb dieser Convention blieb den deutsche» Mäch­te» die Freiheit, dc» Moment für einen etwaigen Uebergang znr Activität zu wähle»; doch erlangten die Westmächtc eine größere Sicherheit, als die in den bisherigen Wiener Protocvllen gebotene, daß weder Prenße» noch Oestreich für Rußland auftreten würden.

Oestreich war geneigt, einer solchen Convention beizutreten und hatte an unser Cabinet einen darauf bezügliche» Antrag gestellt. Dieser ist in Berlin ab­gelehnt uud dadurch die Convention, welche der europäische» Politik eine feste Form gegeben hätte, vereitelt worden. Zn gleicher Zeit sind der Graf v. d. Grobe» »ach London, der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen »ach Paris gesandt wor­den, nach Einige», »m ans Grund der letzten russischen Propositionen neue Verhandlungen auzukuüpfeu, nach Audern, nm über die gegenwärtige Stellung Prcußeuö Aufklärungen zu geben.

Es ist somit ein Act vollzogen worden, durch deu der bisherige Eiuklaug der vier Mächte gestört ist, uud es fragt sich nu», ob durch den Riß nur Preu­ßen isolirt, oder auch die Annäherung Oestreichs an den Westeu vereitelt wer­den wird.

Daö Letztere scheint nicht der Fall zu sein. Es wird uns wiederholt ver­sichert, daß Oestreich ein Separatabkommcn mit den Westmächtcu getroffen habe, man will hier sogar einige Stipnlativuen desselben kennen, und die Nach­richt hat bei der Lage des Kaiserstaateö »nd bei der in Wien sich immer mehr befestigenden Ueberzeugung, daß Oestreich eine dauernde Neutralität nicht behaup­ten kvnue, unleugbar einen hohen Grad innerer Wahrscheinlichkeit. Nach einer hente eingetroffenen Depesche bezeichnet das offiziöse Organ des Wiener Cabinets die Besorgnisse über eine Divergenz Preußens nnd Oestreichs als unbegründet; aber daö angeführte Motiv, die Interessen Oestreichs, PreußcuS und Deutschlands seien identisch, ist ohuc deu Zusatz, daß diese Identität der Interessen überall an­erkannt werde und daß aus ihr überall die gleiche» Folgcr»»ge» hergeleitet werde», nicht ausrcichcud, nnd deutet an, daß da,S vfficiöse Organ mehr einen Wunsch als eiue Thatsache ausdrückt. Es dürfte darin mit Recht lediglich eine politische Taktik erkannt werden, welche für neue Verständiguugöversnche die Wege offen, Preußen aus der bisherigen gemeinsamen Basis festhalten will, während sich Oest­reich, dem Drauge der Ereignisse und dem Gebote seiner Interessen folgend, an fernern Schritten seinerseits nicht behindern läßt.

Der Erfolg des letzten Wendepunktes in unserer Politik ist also zuuächst Preußeuö Jsvlirung. Es hat daö diplomatische Auftreten der Großmächte mit­wirkend uud zustimmend begleitet, scheidet plötzlich ohne Motiv aus ihrer Gemein-

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