Beitrag 
Wochenbericht.
Seite
436
Einzelbild herunterladen
 

43«

der letzten Woche hat die zweite Kammer drei Gesetzentwürfe berathe», welche die vor­herrschenden Tendenzen des Gouvernements nach drei Richtungen hin gut charakterisircu. Der erste räumte den Herrschaften eine weitergehende Strafgcwalt über das Gesinde ein und faßte hierbei namentlich die ländlichen Arbeiter ins Auge. Von den zahlreichen Gutsbesitzern in der Kammer erklärte kein einziger, daß er ein solches Gesetz bedürfe; mehre verwahrten sich ausdrücklich dagegen, nud gaben' dadurch trotz aller Versicherung des Gegentheils ihre stille Ueberzeugung zu erkeuuc», daß die Folgsamkeit des Gesindes allerdings wcscutlich von dem Charakter der Herrschäst abhänge, daß es für eine Herr­schaft keine Ehre sei, wenn ihre Leute eine solche Widersetzlichkeit zeigten, gegen welche die bestehenden Strasmittcl unwirksam seien, daß also das neue Gesetz lediglich einer Classe von Gutsbesitzern diene, in die man sich mit Anstand nicht stellen könne; den­noch wurde ein Gesetz angenommen, das einen Theil des alten Untcrthänigkcitsvcrhält- nisses herstellte. Ein zweiter Entwurf beschränkte abermals die Cvmpetenz der Geschwore­nen bei politischen und Preßvcrgehc». Der Rückblick auf die Erfahrungen der letzten Jahre erinnerte uns lebhast an die gewichtigen Worte, mit welchen Simson seine Rede gegen die erste Beeinträchtigung des GcschwvrncngcrichtS schloß, daß wir um eiu im germanischen Wesen so tief begründetes Institut nicht sorgen dürften; die erste Krisis würde es nns in vollem Umfange wiederbringen;aber dann", rief er aus,werden Sie eines erreicht haben, Sie werden inzwischen den Richtcrstand ruinirt haben!" Ein dristcr Entwurf räumte der Negicruug die Bcfugniß ein, die Errichtung von Gesellcnkassen, die bisher von den Gemeinden im Ortsstatnt festgestellt werden konnte, ihrerseits an­ordnen zu dürfen, ein Entwurf, dcu die Lust zur Viclrcgiererei und das Bevormunduugs- systcm dictirt hatten. Es hals nichts, geltend zu machen, daß an den Orten, in wel­chen bedeutende Fabriken eine starke auswärtige Bevölkerung anlockten, deren Verpflegung einst der Commun zur Last fallen könnte, die Communen selbst aus eignem Antriebe uud im eignen Interesse von der ihnen zustehenden Befugnis; Gebrauch machen würden; daß die Commnnen über die Bedürfnißsrage am sichersten entscheiden könnten, daß hier ein Eingriff in ihre Sclbstständigkeit am wenigsten gerechtfertigt sei. Der Handcls- minister erkannte das Gewicht dieser Gründe an,aber," suhr er sort, einige Commu­nen sind manchmal wie mit Blindheit geschlagen", u. s. f. eine Argumcutativn, die uns an deneinen eigensinnigen Menschen" erinnerte, dessen Bild unsern verehrten Mi­nister des Innern bei der Berathung der wcstphälischen Landgemcindcvrdnung in wahr­hast bennrnhigcnder Weise verfolgte, so daß er am liebsten überall der Ncgiernng die Entscheidung vorbehalten hätte, da er selbst da, wo die Entscheidung durchaus nicht in der Hand eines Menschen lag, die bleiche Gestalt jeneseines eigensinnigen Menschen" störend in seine vortrefflichen Intentionen eingreifen sah. ES ist-wol überflüssig zu be­merken, daß man mit einer solchen Argumentation anch den letzten und schwächsten Nest der Freiheit in Frage stellen kann.

Finden Sie darin den Geist, der nns crmuthigcn könnte, einer welthistorischen Krisis voll guten Vertrauens entgegenzugehen? Sind das die Künste, durch welche man sür die Tage des Sturmes feste, unerschrockene Männer bildet, das Bewußtsein ihrer Verbrüderung stärkt, einen tapfern und königlichen Sinn über das Volk ausgicßt, den Gedanken des preußischen Staates mächtig in den Gemüthern aufrichtet? Ich glaube nicht. Diese Zerrcrcien, diese Viclrcgiercrci düngt den Boden, auf dem daS Unkraut der Unzufriedenheit wuchert.