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Noch einmal Wagner.
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rafsinirteste darauf berechnet, die Nerven zu irritiren. Wir machen nur cnff die Jntroduction zum Lohengrin, auf den dritten Act im Tannhäuser aufmerksam. Wer sich dieser Stimmung der Nerven hingibt, wird je nach seiner besonderen Individualität empört oder entzückt werden, ganz wie bei geschickt erzählten Ge­spenstergeschichten. Wer aber dem ersten Eindruck widersteht, der wird sich nicht hart genug über diese Entweihung der Kunst aussprechen können. In diesem Sinn ist die Konformität des Stoffes und der Ausführung in Wagners Stücken allerdings bewundernswerth. Die Phantasie spannt er gewaltsam an, nicht durch das Medium des Gemüths und des Gewissens, wie alle großen Dichter und Componisten, sondern unmittelbar, wie alle Nomantiker, Charlatane und Magier. Wir halten das in sittlicher wie in ästhetischer Beziehung für gleich verdammens- werth. Herr Hinrichs bestreitet zwar der Kritik das Recht, die Wahl der Stoffe vor ihr Forum zu ziehen, sie müsse vollkommen zufrieden sein, wenn dieser Stoff der Natur des Dichters und seiner eigenen Natur gemäß ausgeführt werde. Das ist aber doch eine ganz einfältige Zumuthung. Wenn ein liederlicher Mensch mit Sachkenntniß und lebhafter Phantasie uns Bordellgeschichten aufs Theater bringt und diese mit glänzender Anschaulichkeit darstellt, so wird es doch wol erlaubt sein, gegen diese Wahl des Stoffs zu protestiren, und diese romantische, gespenstische Sinnlichkeit, wie sie uns in Wagner entgegentritt, halten wir zwar nicht für so gemein, aber für ebenso schädlich.

Aus Berlin.

Kammerb ericht.

Die am 14. Februar vollzogene Wahl eines Vicepräsidenten der zweiten Kammer hat allgemein überrascht. Da es bekannt war, daß der König die Wahl des Abgeordneten v. Bethmann-Hollweg gewünscht, und den Minister des Innern beauftragt hatte, seinen Einfluß bei den ihm ergebenen Fractionen zur Erreichung dieses Resultates zu verwenden, so nahm man an, daß die Wahl des genannten Abgeordneten mit imposanter Mgjvritql erfolgen würde. Nichts­destoweniger brachte es der Candidat der äußersten Rechten, Abgeordneter, v. Arnim (Neustettin) schon im ersten uud zweiten Senttinium, ehe ihm die Stimmen der katholischen Fraction zugefallen waren, ans 109 Stimmen, woraus erhellt, daß die Fraction Schliessen und v. Mantenffel, die sonst den Minister v. Westphalen bei allen Fragen unterstützen, in ihrer Gesammtheit sich für v. Arnim erklärt haben, sehr wenige vereinzelte Stimmen vielleicht ausgenommen. Es ist durchaus nicht anzunehmen, daß diese besonders in Bezug auf Herrn v. West­phalen ministeriell gesinnten Fractionen dem Willen des Ministers zuwider ge-.