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Briefe über die Schopenhauersche Philosophie.
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kommen beipflichtet und in welchem behauptet wird, Fichte habe mit jenem Ausdruck von seinen Schülern eine gewisse Inspiration wie die Propheten ver­langt. Das ist allerdings von Halbphilosophen, die Fichte widerlegten, ohne ihn zu kennen, sehr häufig der Welt verkündigt worden, aber es ist ein nm so un­verzeihlicheres Mißverständniß, da Fichte uicht einmal, sondern wenigstens zwanzig­mal sich vollkommen klar nnd ausführlich über diesen Begriff ausspricht. Er sagt vollkommen richtig, daß die Philosophie wie jede andere Wissenschaft uicht ans einer bloßen, in sich ruhenden Kette von Schlüssen bestehen köuue, sondern daß irgend eine Basis da sein müsse, ans die man sich beziehen könne. Diese Basis nennt er die iutellectnelle Anschannng, die dasselbe vertritt, was im gewöhnlichen Leben die sinnliche Anschauung, in der Mathematik die Grundsätze sind. Wem in der Mathematik der Satz zweifelhaft ist, daß weuu zwei Größen einer dritten gleich sind, sie sich selbst gleich sein müssen, dem wird man in der That keinen mathematischen Satz beibringen können, »nd wer blind geboren ist, dem kann man Jahrelang die wunderbarsten Dinge vorreden, nud er wird doch uicht zu unter­scheiden wissen, was grün und was roth ist. So ist es mit der intellektuellen Anschannng in der Philosophie. Der Grundsatz, ans den»Fichte sein System ba- firt, ist die Erscheinung des Bewußtseins, daß, wenn man Ich sagt, man sich zugleich als Subject und als Object, als Betrachtenden nud als Betrachte­tes weiß, daß man zugleich Thätigkeit (Wille) und Intelligenz ist. Diese intel­lectnelle Anschauung will Fichte nicht weiter beweisen, er appellirt an sie. Wer sie nicht hat, von dem sagt er, daß er allerdings keinen philosophischen Satz ver­stehen würde. Nnn scheint uns aber das Postulat dieser intellectuellcn Anschauung sehr bescheiden zn sein und gar nicht ans einer besonders inspirirten Begabnng, sondern auf dem ganz gewöhnlichen Menschenverstände zu beruhen, und wenn Fichte sagt, wer diese intellectnelle Anschauung nicht hat, der kann meine Philo­sophie nicht verstehe», so meint er damit nnr, wer zn dumm, zn einfältig ist, um überhaupt zu deuten. Wir haben diesen einen Pnnkt etwas ausführlicher be­sprochen, um auf den ganz unerhörten Leichtsinn hinzuweisen, mit dem die beiden Herren über fremde Philosophie urtheilen, ohne sie zu kennen. Aber ähnliche Einfälle, bei denen dem Leser Hören nnd Sehen vergeht, finden sich alle Angen- lUAt.»«l!'?-Ki>>l' -. - - --.K ».ins »i <wli <>-i,.tl :.l,l.?'>-.s..-'>---'-.'.'! ,!'i,,;<? ,nj, Was die weitere Auseinandersetzung betrifft, so werden uns zwar einzelne recht interessante Einfälle gegeben, und bei manchen liegt auch die unmittelbare Billigung nahe. Wenn z. B. Schopenhauer die Nach-Kantschen Philosophen deshalb tadelt, daß sie ihr ganzes Lehrgebände auf einen einzelnen Begriff basiren uud cin künstliches Centrum des Universums suckeu, da doch der Mittelpunkt der Welt überall ist, wo man steht, so scheint nns dieser Tadel vollkommen begründet. Aber es ist Herrn Franenstädt nicht gelungen, in diesen Einfällen den innern Zusammenhang herauszufinden, und wenn er sich von seinemverehrten Freund"

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