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Drei Momente sind es, welche den Leser dieser officiellen Mittheilungen besonders frappircn. Zunächst das unaufhörliche Bemühen Englands und Frankreichs, den Krieg zu vermeiden und alles zu thun, was Rußland im Interesse der vorgeschützten Bestrebungen billigerweise wünschen konnte. Zweitens die unveränderliche Haltung Oestreichs und Preußens, die darin besteht, den westlichsten Mächten recht zu geben, sich ihnen in den Friedensversuchen anzuschließen, aber doch nie ein Wort zu sprechen, das ein dircctcr Tadel der von ihnen mißbilligten Politik des Zaren wäre. Am auffallendsten hat sich das herausgestellt, als Frankreich verlangte, die Wiener Konferenz möchte nach der unzulässigen Interpretation, die Nesselrode in seinem bekannten Rundschreiben ausgesprochen, ihrerseits die Pforte durch eine bestimmte, den Absichten der Conscrenz gemäße Dentnng beruhigen und so zur Annahme der unveränderten Note der vier Großmächte bewegen. Graf Buol konnte sich nicht zur Erfüllung dieser ebenso billigen als vernünftigen und eminent politischen Forderung verstehen. Drittens endlich fällt uns die Consequenz des Zaren in die Augen, auf keinen bestimmten Antrag einzugehen und von den gegebenen Verheißungen zurückzukommen, sowie man ihn beim Worte nehmen sollte. So geschah es zu Anfang der orientalischen Zwistigkeiten. Nesselrode versicherte, daß Fürst Mcnschikoff baldigst zurückkehren werde, da volle Aussicht vorhanden sei, daß die Sache friedlich beigelegt werde. Diese Aeußerung geschah aber in demselben Augenblicke, als der russische Brcnnus sein Ultimatum dem Divan vor die Füße warf. Dasselbe Benehmen beobachtete der Zar der famöscn Wiener Note gegenüber, er hatte sie en Princips angenommen und rückte später mit der überraschenden Deutung hervor. Dasselbe Schicksal hatten auch die letzten Versuche. Der zweiten Note wurde von den russischen Gesandten in Wien und in Paris ein günstiges Hvroscop gestellt, in demselben Augenblick, wo der Hauptschlag auf Sinope geübt worden. Selbst nach der Einfahrt der Flotten ins schwarze Meer erhielten die vsficiöscn Jourualisten, welche hier im Dienste Nußlands stehen, von Herrn von Kiseleff Veranlassung, die russische Verweigerung vorläufig zu bcstreiten. Erst als die Frage des Zaren, was denn die Einfahrt ins schwarze Meer eigentlich zu bedeute» habe, hierher nach Paris gelangte, gab man zu, daß die letzte Bemühung der Wiener Conscrenz nicht mehr Chancen habe als deren Vorgänger. Man gab es erst zu, als General Castelbajac nnd Lord Seymonr ihre Negierung auf die große Wahrscheinlichkeit dieser Resultate gefaßt gemacht.
Wenn daher von der einen Seite Englands nnd Frankreichs Streben, sich vom ersten Anfange gleichbleibend, ohne Erfolg geblieben — wenn die beiden verbündeten Mächte den Zaren stets auSwcichcud gefunden und von Oestreich blos in Worten unterstützt werden — wie soll man da hoffen, daß es jetzt anders werde. Der Rücktritt 'st dem Zar niemals schwerer geworden als jetzt, wo er zur See zu demüthigcr Unthätigkcit verdammt, zu Lande im Nachtheile, und von der öffentlichen Meinung sich verhöhnt sieht. Wenn er jetzt nicht als Eroberer aufzutreten den Muth hat, so spielt er die lächerlichste Rolle, die je ein so mächtiger Herrscher gespielt. So wenig auch die russische Aristokratie den Krieg gewünscht haben mag, sie würde es dem Kaiser niemals verzeihen, wenn er sich jetzt nach so vielen unmotivirten Herausforderungen von seiner Seite einschüchtern ließe. Wir haben eine so lebhaste Anschauung von diesem wesentlichsten Punkte der gegenwärtigen Situation, daß wir überzeugt sind, der Zar würde selbst der entschiedenen Drohung Oestreichs und Preußens, mit Frankreich "nd England gemeinschaftliche Sache gegen ihn zu machen, nicht mehr weichen, daß er