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Engel u. s. w.; wenn wir sie aber zulassen, sehen wir ungern eine technische Behandlung , welche die Illusion der Wirklichkeit erstrebt, sondern lieber eine mehr andeutende, die nicht alle ihr zu Gebote stehenden Mittel erschöpft, da wir, je materieller die Wirkung ist, desto weniger zu dem Glauben kommen können, dies sei ein Wesen aus anderem Stoss. In der Sculptur haben wir von vornherein die Illusion des Lebens mit der Farbe aufgegeben. — Und sobald wir von ihr und der materiellen Wirkung (wenn auch uns unbewußt) einmal abstrahirt haben, sind wir überhaupt eher in der Verfassung, die Ansprüche au die gewohnten Erscheinungen des Lebens aufzugeben, und nehmen Gestalten als lebensfähig an, die wir in der Malerei nicht als solche gelten lassen würden; wie denn > z. B. die Erfahrung zeigt, daß wir in der Sculptur zehn allegorische Figuren gelten lasse», wo uns in der Malerei eine zn viel ist. — Dazu kommt, daß die Beschränktheit und Einfachheit der Mittel in der Sculptur auch für die Weise der Komposition maßgebend wird. Die Sculptur hat für alle Figuren nur dieselbe Farbe, dasselbe Licht, dieselbe Wirkung der Luft; — eine Figur macht sich hier ebenso geltend, wie die andere; sie muß sich also auf wenig Figuren beschränken, wenn sie verstandlich für Auge und Empfindung bleiben will, sie mnß eine ganz andere Darstellungsweise anwenden, als die Malerei. — Es wäre z. B. für beide Künste die Aufgabe gestellt, den Lohn des Siegers darzustellen, so wird die Malerei diesen Gegenstand wahrscheinlich mit mehren Figuren darstellen: den Sieger eines bestimmten Volkes etwa einziehend an der Spitze des HcerS, gefolgt von überwundenen Feinden, empfangen vom jubelnden Volk u. f. w. Die Sculptur mit ihren einfachen Mitteln würde sich rede natürlich hier nicht vom Relief, wo übrigens auch die Komposition im Vergleich zur Malerei sehr zn beschränke» ist) iu dieser Auffassung nur ein wirres Bild hervorbringen; daher legt sie mit Recht alle Bedeutung in wenige Figuren, in einen einzigen Krieger und in eine.einzige Figur, welche der Idee, ihn als belohnten Sieger zn bezeichnen, Gestalt gibt. Sie schafft für diese Idee eine Repräsentantin in der Göttin des Siegs; ob es ein christlicher Engel oder Geninö, ob es eiue heidnische Göttin ist, das gilt an sich gleich. — Da die letzte aber einmal eine bestimmte und schöne Form gewonnen hat in der Bildung der Victoria , die uns durch Tradition geläufig und vertraut geworden ist, so nehmen wir sie gern an, da der Sieg weder eine christliche, noch eine heidnische, sondern eine rein menschliche Vorstellimg ist. Sobald aber eine Schöpfung in der Kunst den Ausdruck rein menschlicher Empfindung trägt, mag auch die Form in etwas von unserer gewohnten Vorstellung abweichen, so gehört sie in alle Zeiten und Culte. Iu keinem Falle sind Zeiten und Culte, denen solche Schöpfungen fremd würden, werth, in ihren Ansprüchen berücksichtigt zu werden. —