Beitrag 
Neue Romane.
Seite
229
Einzelbild herunterladen
 

Hilfstrnppen den weltlichen Sinn herans und wendet sich von ihnen, welche die Andacht zn Gott gleichem durch die Vermittelung der Sinne wieder auffrischen möchten, mit eben solchem Abscheu zurück, als von den offenen Feinden der Re­ligion. Nnd doch läßt sich die Phantasie nur wieder durch Mittel der Phan­tasie bekämpfen. Es ist vortrefflich, wenn auch mit sehr grellen und unerfreulichen Farben auseinandergesetzt, wie die Stimme der Sinnlichkeit dnrch raffiuirte, wenn auch träumerische sinnliche Vorstellungen zum Schweigen gebracht wird, wie z. B. der Mariencnltns nur eine Ableitung der sinnlichen Empfindung auf ein trans­cendentales Gebiet ausdrückt. Dieses Moment hat der Verfasser benutzt, um seine allgemeinen Betrachtungen über die Naturgeschichte des Klvsterlebens in ein individuelles Ereigniß zusammenzudrängen. Das Seminar, in welchem der junge Mann, der als Berichterstatter auftritt, erzogen wird, war früher ein Lust­schloß der Königin Margarethe von Navarra. Ein Porträt dieser schönen Für­stin als Venns gemalt befand sich ans einer der Wände; es ist zwar später mit Kalk überkleidet worden, aber dieser hat sich abgelöst und die alten Farbe» treten, wenn auch nur fragmentarisch, lebendig hervor. Der jnnge Mann gewöhnt sich nnn daran, ans diese Fignr verstohlene Blicke zu werfe», sie gleichsam sinnlich zn begreifen. Eimnal wird er von einem alten Priester dabei ertappt und dieser macht ihn darauf aufmerksam, welch ei» entsetzliches Verbrechen er zu begehen im Begriff stehe. Um ihm dieses Gefühl lebhafter einzuschärfen, wird ihm die Natur dieses Verbrechens so sinulich als möglich entwickelt. Zwar wird der Kalk wieder aufgefrischt, aber seine Phantasie ist rege geworden; er weiß sich allmälig die Schriften über die Königin Margarethe zu verschaffen und wird zuletzt so da­von erfüllt, daß er in Hallucinationen verfällt, in welchen ihm die Königin Mar­garethe lebendig entgegentritt, sich mit ihm unterhält und drgl. Die Priester, au die er sich wendet, erkläre» ihm die Sache als Anfechtungen des Teufels, wie sie auch der heilige Antonius und andere habe» erleben müssen; er wird »ut seinen Zuständen halb uud halb ein Gegenstand des Interesses, aber anch zugleich des geheimen Entsetzeus. Die Geschichte endigt, wie man erwarte» konnte, im Irren­haus. Nun ist diese psychologische oder wen» man will physikalische Entwickelung geistreich genug, uud der Verfasser hat, was ihm zur Ehre gereicht, auf das stengste alle romantischen Mittel, ans die Phantasie einzuwirken, vermieden. Aber der ganze Einfall ist doch einerseits zu individnell, nm in die Objectivität des allgemeinen Gemäldes zu, passen, andererseits wieder nicht individuell genug, um "ls Roman zu iutercssire». Ueberha»pt ist dieser Theil des Buches der schwächste; wan sieht, daß die novellistische Einkleidung Uur ein Nothbehelf war. Wie der junge Mensch von -19 Jahren wider den Willen seiner Eltern, die sogar vor Knm- wer darüber sterben, dazu kommt, ins Kloster zn treten, und warum die Wieder­erweckung seines Selbstbewußtseins ihn nicht dazn treibt, diese schmählichen Bande »u brechen, was doch in unserer Zeit nicht mehr mit so großen Schwierigkeiten