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Ein deutsches Bundesarmeecorps im Kriege.
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Hältnisse, welche auf ihn einstürmen, hineinarbeiten kann und laßt daher die Dinge gehn, wie sie wollen. Es ist aber auch wirklich eine verzweifelte Lage, und wer die Fähigkeit hat, sich zu ärgern, der kann hier an einem Tage -lOmal des Teufels werden. Mein persönliches Aergerniß sind alle Tage die zahllosen Ordvnanzen, welche in unser Hauptquartier commandirt sind. Unser Armeecorps, das jetzt 30,000 Mann stark ist, besteht aus -17, sage siebzehn verschiedenen Kontin­genten. Denn da die größte Eile nöthig war, um dasselbe hier zusammenzu­ziehen, hat man von Frankfurt ans alle Truppen, wo sie nur irgend mobil waren, durch die Eisenbahn hierher geschickt. So haben wir einzelne Kontingente bei uns, die kanm 300 Manu stark stud. Von allen diesen Trnppentheileu sind Uulerosftziere nud Soldaten zu uus ins Hauptquartier commandirt. Bei dem babylonischen Thurmbau kann keine größere Verwirrung existirt haben, als in dieser tollen Ordonanzwirthschaft. Jeder Mann unter diesen Ordouauzcn kennt natürlich nur die Dienstvorschriften, die ihm zu Hause mühsam eingeprägt sind, und da diese so verschiedenartig als möglich sind, so ist es gegenwärtig gradezn unerreichbar, Uebereinstimmung anch nur. iu diesen Theil des Dienstganges zu bringen. Schelten und Wettern hilft hier nicht, man macht die Leute dadurch nut verdutzt und hartnäckig, nur Geduld und stetes Ermähnen wird diese Dis­harmonie allmälig überwinden.

Den 30 Mai. Als ich hente in einem eiligen Auftrage Sr. Durchl. von einem Ritt znm General zurückkehrte, begegnete ich einem alten Frennde, dem ehr­lichen Hauptmann Sorben, welcher seine Compagnie, die 300 Mann Q.scher Truppen, spazieren führte; er schritt an der Spitze seines Contingentö einher, nachdenklich aus einem Meerschaumkopf rauchend, grade wie ein Schullehrer vor seiner Schule. Als ich ihn srng, pohin er sich dirigire, faßte mich der alte Haudegen bei der Hand, drückte sie mir kräftig und sagte mir leise mit einein Ausdruck von Schwermuth und Scham, der mich bei dem alteu Herrn fast rührte,ich führe meine armen Jungen ins nächste Dorf-, um ihnen ein Geschütz mit Bespannung zu zeigen. Viele von ihnen haben in ihrem Leben noch keine Kanone gesehen und jetzt sollen sie vielleicht in wenig Tagen den feindlichen Batterien gegenüberstehen. Es wird doch gut sein, wenn sie wissen, durch welche Art von Mechanismus sie ihr Leben verlieren sollen." Er wandte sich ab, indem er zu lächeln versuchte. Ich hielt still, bis seiue Mannschaft vorüber war, ge­sunde kräftige Jungen, mancher darunter die Hoffnung und Frende seiner Eltern, und kam mit einem bitteren Gefühl in der Seele nach Hause. Du lieber Gott, ein Contingent von 3 i00 Mann, welches seine eigenen Signale, sein eigenes Kommando, nnd vielleicht noch besonderen Kaliber bei.seinen Mus­keten hat, und keine Ahnnng davon, was eine feindliche Batterie, was ein Choc der Cavalerie bedeutet! es ist nichts als Futter für feiudliches Pulver! Und das sind unsre Landsleute, gesunde, kräftige Menschen, die nnter anderen