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Wochenbericht.
Paris, 20. Januar. — Die orientalische Politik läßt sich fortwährend Zeit, als wäre dabei nichts Anderes zu thun, als mit übcrci»a»dcrgeschlagenen Beine», die lange Pfeife im Mnnde, träumend dnrch den Tabaksqualm in die Zukunft zu sehen. Man weis, nicht, soll man die Gednld der westliche» Diplomatie oder des Zaren Spitzfindigkeiten »lehr bewundern. Die Sache wird so breitgcschlage» und iu die Längc gezogen, daß die gute» Kinder, welche »och immer an eine friedliche Ausgleichung glauben, vielleicht »och recht behalten. Ich sehe zwar kemen ehrenwcrthen Answeg ' mehr für die westliche» Staate», alö den Krieg, nnd im Osten ist auch nichts bemerkbar, was friedlicher aussähe. Der Zar endlich thut gleichfalls nicht sehr reuig und macht keine Miene, den von Menschikoff betretenen Weg zu verlassen. Mir scheint der Krieg nnvermcidlich, und alles waS hier geschieht, dcntet darauf hin, daß der Kaiser auf einen Bruch mit Rußland vorbereitet ist. Ich spreche Ihnen nicht erst von dc» Vorbercitnugc», die hier seit einigen Wochen mit stille», Eifer betriebe» werde»; die deutsche» Tagesblätter fl»d mit Wahrc»i u»d Falschem angefüllt, und für uns' genügt die Thatsache, daß ma» wirklich nicht nur in unsern Häfen, sondern auch im Kriegsministcrinm sort- nrbeitct. In letzterem nicht so rasch, daß auf eine» stülidlichc» AuSbruch des Krieges zn schließen wäre; das Marincmi»istcri»m ist bei weitem thätiger und vorzüglich ostensibler in seiner Thätigkeit. Was der Regierung erlaubt, nicht zu laut, nicht zu abschreckciid zu Werke gehen zu müssen, ist der Unistand, daß sie über die finanzielle Seite des Krieges insofern beruhigt ist, als die Bank zugesagt, die Verantwortlichkeit des ersten AnleihcnS zn übernehme». Mit 200 Millionen läßt sich schon ein Feldzug beginnen, und die französische Bank hat, selbst wem, man annähme, haß ihr unter u»ser» Verhältmsse» freie Wahl geblieben wäre, nicht viel gewagt, da im Falle des Krieges die Börse eine so gewaltige Krise zu überstehen haben würde, daß es auf ein >ilu« oder minus von 200 Millionen nicht mehr cmkommt. Mit dem Zwangsconrse der Banknoten kann die Bank vieles wagen, nnd in einem Lande von Frankreichs Ressourcen ist ein Deficit, wen» auch nicht leicht gedeckt, doch bald bedeckt, nnd darauf kommt eS hier eigentlich nur au. Die frauzösischc Speculativu treibt sich schvu lauge genug aus ci»cr Brücke von Spinngewebe herum uud es ist noch immer nicht cingcrissen. Kommt es zu eine»: ehrenvolle» Friede» nach einem schmeichelhaste» Feldzuge, da»» ist in einem Jahre vieles wieder gut gemacht, und dauert der Krieg längcr, als man erwartet hätte, da»» treten mit den außerordentlichen Krastanstrengungen auch die ungewöhnlichen Hilfsmittel dieser Nation i» de» Vordergrund. Ei» Krieg bleibt immer eine große Noth für ein Volk, es mag das reichste sei», aber Frankreich erholt sich nach gewaltigen Krisen schneller, als jedes andere Land. Das haben die Kriege Napoleons, das hat m> halbes Dutzend Revolutionen dargethan. Louis Napoleon, so ungern er ins Feld ziehe» mag, hat, wenn wir gut berichtet sind, anch über die ersten Kriegskosten hinans an die nöthige» Finanzmittel gedacht und es soll bcilänfig in Veranschlagung gebracht worden sein, wieviel die Uebernahme sämmtlicher Hospitic» Frankreichs gegen Auszahlung iu Schatzschciuc» dem Staate abwerfe» würde, und ma» ist Zu dem Resultate gekommen, daß K—800 Millionen dabei herauskommen. Der Kaiser soll überdies die Idee haben, die großartigen öffentlichen Arbeiten im Innern nicht
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