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Lohengrin, Oper von Richard Wagner. 2.
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das dichterische Kunstwerk keine Bedeutung und die Musik derselben dienstbar zu machen ist unwürdig.

Vielleicht das ärgste der Art ist der Marsch im dritten Act, während dessen die vier Heerhaufen der Brabanter einziehen, Der eigentliche Marsch wird von den Bläsern des Orchesters vorgetragen, die Saiteninstrumente schildern mit einer unermüdlichen Triolenfigur das Trampeln der Pferde und den Tumult der heranziehen­den Heerhanfen, von denen jeder zwei Trompeten in eigener Tonart zur Verfügung hat, welche eine lange Fanfare in dem einförmigen, etwas rohen Trompeter­stil blasen. Die in fangen au, worauf der Marsch in derselben Tonart gespielt wird; als derselbe eine Wendung nach v macht, fallen die I) Trompeten ein und wir bleiben in 1) äur hängen; diese werden von den ? Trompeten über­rascht und nachdem diese sich ausgeblasen haben, geht der Marsch wieder in? an; bei der nämlichen Wendung der Harmonie" so genau ist das Exercitium fallen die IZ Trompeten ein. Nnn denkt man, es könnte genug sein mit 8 Trompeten und 4 Tonarten, da fällt man durch einen Trugschluß in <ü äur hinein, die verhängnißvolle Fanfare ertönt, der König kommt mit seinen uuvermeidlicheu Stabstrompetern und wir hören den Marsch endlich zum letzten Mal in L äur man glaubt in einer Bereiterbnde zu sitzen. Nachdem man dies Dutzend Trompeten als Zugabe eines wohlbcsetzten Orchesters hat hinnehmen müssen, ist man aller­dings ziemlich bombenfest geworden, und wenn der König darauf mit Begleitung aller Blechinstrumente singt, so gemahnt er doch nur an Zettel, der brüllen wollte, wie eine saugende Nachtigall. Aber was für eine Kunst ist das, welche solche Mittel in Anspruch nimmt, um eine Exercierplatz-Illusion zur Unterhaltung der Strudel- und Prndelwitze zu realisiren?

Aus unseren Betrachtungen geht hervor, daß wenn Wagner gleich geschickter ist in der Handhabung der musikalischen als der poetischen Technik, doch von einem Stil seiner Musik nicht die Rede sein kann/ Die erste Bedingung des Stils ist Eigenthümlichkeit der Productionskraft, welche man einem Manne nicht zuschreiben kann, bei dem man nicht nnr die Einflüsse Webers, Marschncrs, Mendels­sohns, Mcyerbecrs u. A. im Ganzen nnd Einzelnen nachweisen kann, sondern dessen künstlerische Eigenthümlichkeit wesentlich darin besteht, daß eine Anzahl heterogener Bildnngselemente unserer Zeit bei ihm in bedenkliche Confnsion gerathen sind. Ferner ist Stil bedingt durch die Fähigkeit des Künstlers, den künstlerischen Stoff in der innersten Tiefe seiner Natur zu erfassen und so zu gestalten, daß das Subjective und Objective im Kunstwerk sich durchdriuge, und endlich, um diese künstlerische Schöpfung zu vollziehen, die Einsicht in die Form nnd Technik und die Meisterschaft in der Behandlung derselben als künstlerischer Mittel zu ein?m künstlerischen Zweck. Eine ans Mißverständniß nnd Uebertreibung hervorgegangene willkürliche Theorie bei mangelndem Sinn für Motivirung und Gestaltung aus dem Ganzen, und eine einseitige Virtuosität, die nur äußerliche Mittel für äußerliche Zwecke zu