132
saunen und Tuba Accorde dazu an — als wäre um die Tonarten gewürfelt. Ein entsetzliches Beispiel, wo eine Reihe zum Theil ganz fremder Accorde auf einen liegenbleibenden Grundbaß wie angenagelt wird, ist im zweiten Act bei den Worten „du wilde Seherin," wo zu derselben Accvrdfvlge, als wäre das ganz einerlei, erst?is, dann Ois einen Orgelpunkt bildet. Noch peinlicher ist es, wenn mit so unznsammen- hängcnden Accorden, und noch dazu vorwiegend chromatisch, fvrtmvdulirt wird, weil dabei der Widerspruch der äußerlichen Continuität mit der inneren Jn- cougrnenz sich um so viel stärker geltend macht. Noch dazu wendet Wagner sehr oft das mechanische Versahren an, einen Harmoniencomplex mehrmals hintereinander einen Ton oder eine Terz hinauszuschieben und dadurch zu steigern. Etwas ähnliches ist es, weuu der Marsch im dritten Act, anstatt ihn einfach zu wiederholen, jedesmal in eine neue Tonart tumultuarisch gedrängt wird iM, 0), wodurch die Erwartung rege gemacht wird, als käme nun etwas Neues, und in Wahrheil keine Steigerung', sondern Verwirrung hervorgebracht wird.
Es läßt sich denken, daß bei diesem Verfahren das cnharmonische Wesen eine große Rolle spielt. Wer auch nur einmal durch eine musikalische Küche gelaufen ist, weiß,
aß nicht ebeu viel dazu gehört, sich mit den euharmouischeu Verwechselungen soweit bekannt zu macheu um damit obenhin zn handthiercn. Aber es erfordert den feinsten und gebildetesten Sinn für das innere Verhältniß der Töne zueinander, um sie
o zu verwenden, daß der zarte Organismus nicht nur nicht verletzt werde, sondern daß das aus einem inneren Gesetz mit Nothwendigkeit hervorgehe, was bei fühl- loser Behandlung zu einem äußerlichen Reiz herabgewürdigt wird. Wagner geht mit den enharmonischen Rückuugen um, als ob er dem „System der leeren Köpfe" huldigte, welches neulich von Amerika her uns belehren wollte, es gebe nur weiße nnd schwarze Noten, und alle enharmonischen Tondifferenzen reducirten sich auf eine lästige Orthographie. Auch hier nur ein Beispiel. Das Brautlied schließt iu L cwr und zwar mit einem vollen, gesättigten Schluß. Nach einer kurzen Pause — nm hineinznleiten in das Liebesgespräch der allein gebliebenen Brautleute — schlagen die Saiteninstrumente den L clur-Accvrd mit vbenliegender Terz von ueuem au und unmittelbar darauf den Septimenaccord auf?is, so daß das vbenliegende v zur beliebten überhängenden kleinen Sexte wird. ' Das scheint ganz einfach: v bleibt liegen, L wird euharmonifch mit ^is verwechselt, ? geht nach ll, L nach?1s, — das Exempel ist richtig. Ja, auf dem Papier, das geduldiger ist, als die Ohreu, die sich darüber nicht täuschen lassen, daß O in verschiedenen Tonarten nicht ohne weiteres derselbe Ton ist. Dergleichen ist mechanisch gemacht, uud nicht innerlich empfunden und gehört. Indessen hier herrschen physikalische Gesetze, welche sich immer wieder Geltung verschaffen müssen und werden, wenn mich zeitweise das Gehör verderbt sein sollte.
Wenn min der vorherrschende» Ueberreiznng und Ueberladnug mit harmonischen Effecten andere Male die größte Einfachheit gegenübertritt, so ist auch das