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Geist und in der Beschränkung angewendet wird, welche einem entlehnten und schon deshalb untergeordneten Kunstmittel zukommt, allein zum System gemacht hat eS die Folge, daß die innere Motivirung der Handlung aus den Handelnden herausgezogen und von ihnen losgelöst werde, so daß sie zu Marionetten werden, während ein anderer, das Orchester, für sie, aus ihrer Seele heransspricht, und dann, daß die stehenden Motive mit denen operirt wird zu Formeln erstarren, und zu einer Art von Algebra führen, in denen sie, wie die Buchstaben, nicht an sich gelten, sondern etwas Anderes bedeuten. Eine einfache Betrachtung lehrt ja, daß diese Verwendung stereotyper Motive nur ein ganz mechanisches Verfahren ist. Wird doch dieselbe Grundvorstellung oder Grundempfindung, wenn sie in, verschiedenen Momenten der Handlung bestimmend einwirkt, durch die veränderten Verhältnisse in der Seele wie im Muude derselben Personen, und nun gar bei verschiedenen Personen, sich aufs mannigfaltigste modificiren, wie kann denn der musikalische Ausdruck unverändert derselbe bleiben? Und von der rein musikalischen Seite her führt eiue verwandte Beobachtung auf denselben Punkt. Der musikalische Ausdruck jeder Situation nimmt eine bestimmte Form an; wie frei mau sich dieselbe auch denken möge, wie ist es möglich, daß in dieselbe fortwährend fremde, für sich abgeschlossene Motive hineingeschobcn werden, ohne sie zu zerstören, wie wenn man in eine im Flnß begriffne Masse schon fertige Stücke hineinwerfeü wollte. Anch um einen künstlerischen Organismus zu Stande zu bringen, müßten die zu wiederholenden Motive nicht fix und fertig dazu gethan, sondern von neuem in Fluß gebracht werden, um dem Bedürfniß der Form gemäß modificirt, mit der Umgebung verschmolzen, kurz verarbeitet zu werden. Statt einer solchen künstlerischen Gestaltung und Durchbildung zu wahrer Charakteristik finden wir aber nur den rohen -Materialismus äußerlicher Kennzeichen, der noch dazu prätendirt geistreich zu sein.
Dieser principielle Fehler hat noch einen praktischen Uebelstand zur Folge. Die meisten der so verwandten Motive sind allerdings scharf hervortretend uud markirt — das ist gut, weil man sie- sich merken soll, übel, weil man sie so oft hören muß, — aber sie sind für das Orchester gedacht und erfunden, weil sie diesem meistens zufallen. Dadurch erwächst aber der Nachtheil, daß, wenn die Singstimme dazn tritt, diese in den Schatten gedrängt wird, anstatt hervorzutreten, indem entweder das Hauptmotiv zwar in der Begleitung auftritt, aber in der That dominirt, da die Singstimme ein halbes xarlanäo oder eine unbedeutende uud gezwungene Gegenmelodie hat; oder die Singstimme genöthigt wird, mit dem nicht für den Gesang berechneten Motiv sich gut oder bös abzufinden. So ergeht es der Gralsmelodie, die zum Schluß, wo sie Lohengrins entzückte Rede wie mit einem Heiligenschein umstrahlen soll, den größten Theil ihrer Wirkung einbüßt durch die ihr ansgeklebte Singstimme, für welche sie nicht erfunden war und die vergeblich gegen das Orchester an-