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Freilich bedarf sie solcher Hilfsmittel nicht, aber zu wünschen wäre wenigstens, daß ein Kalender modernen Stils ins Leben getreten wäre, welcher ohne politische und konfessionelle Parteinahme die Aufgabe populärer Belehrung und nnbefangener Unterhaltnng zu lösen versuchte. — In der deutschen Schweiz, deren literarischcr und geistiger Zusammenhang mit den deutschen Entwickelungen überhaupt erfreulicherweise sich immer lebhafter zeigt, begegnet nus nnu ein „Jllustrirter Kalender für die Schweiz", 18!ii. (St. Gallen, Scheitliu und Zollikvfcr). Er ist, was er zu seiu verspricht: . ein Hand- nnd Familienbuch für alle Stände, aber natürlich nicht ohne das Gepräge des BodcnS dem er entstammt. Außer dem eigentlichen Kalender, der von vielen unserer Kalender fast ganz als Nebensache behandelt wird, finden wir darin eine ziemlich vollständige Statistik des schweizer BnndeSorganismns, einen Hans-, Garten- und Landwirthschasts- kalcudcr, eine höchst interessante Uebersicht der landwirthschastlichcn Productenbeweguug an der schweizer Grenze, kurze Biographien mit Portraits (darunter Tieck, Hebbel, Mo- scu), natnrgeschichtliche Belehrungen und endlich einige vortreffliche Erzählungen, abwechselnd mit belehrenden Darstellungen z. B. über Gnggcnbühls Wirken zur Heilung des Kretinismus ze.
Flora im Winterkleide v. E. A. Noßmäßler (ISO Abbild, in Holzschnitt uud 1 Titelb. in Tondrnck v. C. Merkel) Leipzig, Cvstenvble 183i. Dies kleine Weihnachtsgeschenk des populären Schriftstellers enthält eine lebhafte und faßliche Beschreibung solcher Pflanzen, welche bei uns im Wiutcr sortlebeu. Zuerst die Krvptoga- men: Flechten, Algen, Pilze, Moose, hübsch und anschaulich in ihrem merkwürdigen Bau dargestellt, dann einiges über die Nadelhölzer! Fichte, Tanne, Kiefer und zuletzt über das stille Leben der Blatt- uud Vlütcnkuvspen bekannter Laubhölzcr. Das Buch erfordert keine besondern Vvrkenntnisse, ist wol dazu gemacht, Interesse an dem Behandelten zn erwecken uud kann empfohlen werden. Die Abbildungen sind gut.
Theater. Von der Direktion des Frankfurter Stadttheaters ist der bisherige Mit- director nnd Schauspieler Mcck zurückgetreten uud Hr. Hofsmann alleiniger Dircctor, wie Unternehmer geblieben. Das diesjährige Nepcrtoir ist jedenfalls gewählter als das vorjährige, nnr entbehrt man dabei, wie an andern Mittelthcatern aller bedeutenden Novitäten, welche nicht ans den bekannten Officincn hervorgehen. Die jüngeren Dichter und Dichtungeu sind fast ausschließlich durch Apels „NälMhchen" nnd Hcidrichs „Prinz Lieschen" vertreten. Selbst von „Lady Tartüffe" keine Spur. Im Opernrepcrtoir sind neuerdings „das unterbrochene Opserscst" und „Euryanthe" wieder eingerichtet. Dem Vernehmen nach soll Hr. Hoffmann zn dem bisherigen, allerdings sehr geringen Zuschuß von Seite der Stadt noch Heizung und Beleuchtung des Theatergcbändes erhalten. Indessen beabsichtigt derselbe im nächsten Jahre die Errichtung einer Sommerbühuc, und dienstfertige Jonrnalstimmen befürworten dies Vorhaben.
Am 3-1. Oct. wnrde das Heidelberger neue Theater eingeweiht. Der Prinzrcgent von Baden war anwesend. Die erste Vorstellung war „Maria Stuart". Wöchentlich einmal spielt die Heidelberger Gesellschaft in Brnchsal.
Herausgegeben von Gustav Freytag uud Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitnnirN F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig. Druck von K. E. Elbert in Leipzig.