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Aus Berlin.
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len werden nm so dringender in Anspruch genommen, als ihr einerseits die Mittel der politischen Action durch ihre eigene Schuld sehr spärlich zugemessen sind und die Rechte neue Stürme auf die VerfassnngSreste theils klar theils auf Umwegen angekündigt hat.

Es fehlen der Linken die Mittel politischer Action, denn sie hat ihr Blatt, selbst als es in der letzten Phase ganz in ihrem Sinne nnd auch sonst sorgsam geleitet ward, eingehen lassen, nnd es ist keine Aussicht vorhanden, daß diese in der Geschichte politischer Parteiuug wol unerhörte Lücke während der bevorstehen­den Session ausgefüllt werde. Au liberalen Organen ist sonst freilich kein Man­gel, aber sie haben sich von dem thäligen Kampfe fast überall zurückgezogen. Sie leisten in den großen europäischen Fragen, dem russischen nnd französischen Einflüsse gegenüber, gute Dieuste, aber in nnseren häuslichen Angelegenheiten, die neben der orientalischen vielleicht noch immer einige Bedeutung haben dürften, wird ihre Theilnahme selbst innerhalb der von der preußischen Verwaltung aller­dings ziemlich eng gesteckten Grenzen oft zum Schaden der liberalen Interessen vermißt. Wir glauben nicht, daß ein Kandidat der cvnstitutioucllen Partei im Kampfe mit einem Beamten oder einem Kreuzzeitungsmaun auf die nachdrückliche Unterstützung eines Blattes, das sein Programm theilt, rechnen tonnte, ja daß auch nur während der Wahlen eine einigermaßen lebhafte Regsamkeit der libera­len Presse im allgemeinen zu erwarten wäre. Schlimm genug, daß es so mit nns steht und es würde wenig fördern, wollte man die Wahrheit verhehlen, die, offen und wohlgemeint ausgesprochen, hie nnd da vielleicht einer guten Ausnahme begegnet.

Die Rechte weiß es besser anzusaugen. Sie zählt ihre Leute, hält sie wach­sam und rüstet sich zur Debatte. Einen großen Erfolg hat sie schon wieder durchgesetzt. Die erste Kammer bleibt provisorisch erhalten, bis die Provinzial- nnd Krcisordnungen definitiv geregelt und noch andere Gegenstände, die den Gegnern Vortheile bringen sollen, erledigt sind. Vor der neuen Pairie scheint man sich wie vor eiuer unbekannten Größe nachträglich zu fürchten und es sieht fast so aus, als hätten die Bethmauu-Hollwegiauer und mehre Mitglieder der Linken sich für die Pairie, dieses vermeintliche Schiboleth conservativ-liberaler Politik, umsonst abgemüht. Man darf auch uicht daran zweifeln, daß die zwei­jährige Berufung der Kammern, die Aendernngen des Preßgesetzes, die verstei­nernde Concentration des Grundbesitzes und soviel« andere Entwürfe in demselben Sinne wieder in Angriff genommen werden sollen.

Betrachtet man neben dieser Rührigkeit die Apathie eines Theiles der Op­position, so sollte man glauben, diese ruhe schon auf politischen Lorbeeren und sei durch die unpoetische und kühle Aufgabe eiuer leichten Defensive etwas entnervt. Und doch liegen die Dinge in der Wirklichkeit anders. Wir haben das Meiste wieder zu gewinnen nnd das Letzte, das heißt alles zu verlieren. In solchem

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