Contribution 
Wochenbericht.
Page
105
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

105

materiellen Gewinn von der großen Versammlung. Und die Ehre ließ sich nicht in Procenten berechnen. Wenn jetzt der Bundestag Ferien macht, merkt mans trotzdem der Stadt an; fehlt ihr etwas. Dazu gesteht jetzt selbst die Fr. Postzeitung in ihren geistreichen 1"!' Leitartikeln ein, es herrsche ein gewisses allgemeinesUebelbefinden", nicht etwa cholcraartig, sondern der Unsicherheit in der orientalischen Frage wegen. Sie gibt den weisen Rath, den Verlauf der Dinge ruhig abzuwarten. Etwas Anderes hatte nnn freilich kein Mensch in Absicht; denn wir sind Börsenmänner, leben in Deutschland und Habens bereits ruhig abgewartet, als wenige Tage vorher der weise 1"!' Mann allen europäischen Cabineteu die unbedingteste Willfährigkeit und Unterstützung für alle russische Begehren verrieth. Da nnn Oestreich bekanntlich schon im Anfange des dies­maligen russisch-türkischen Streites seine Vermittlung mit der unbedingten Besnr- wortuug aller russischen Forderungen begann, so konnte allerdings der 1"!/ Diplomat jetzt ebenfalls in der Postzeitung keinen andern Rath geben. Fatal ists nur, daß Oestreich und die Postzeitung nicht Europa sind, sonst wäre nnsere Börse schon längst wieder beruhigt, und das allgemeineUebelbefinden" Frankfurts verschwunden. Aber die orientalische Frage ists nicht allein; es ist auch etwas hänsliche Noth dabei. Man kennt den Erlaß des Senats, welcher endlich die 18-16 verheißenen Ergänzungen unserer Constitution der Bürgerschaft zur Abstimmung vorlegen mußte, sowie die An­nahme derselben durch die Bürgerschaft. Davon sind die retrograden Patricierhcrzen ticfschmerzlich bewegt, uud sie Haltens für besser, den Bundestag zu einer nochmaligen Maßregelung unserer Vcrfassungszuständc aufzufordern, als sich verfassungstreu zu fügen. Es sind das zwar dieselben Elemente, welche sonst gar stolz von der souveränen Republik reden; aber wenn die Republik sich gegen ihre» Willen bewegt, so schadet ja so ein wenig Denunciation durchaus nichts. Wird man auch mediatisirt, wird man auch von der Bundes- präsidialkanzlei dominirt, so läßt sich dies schon gesellschaftlich bei Soireen, Dincrö nnd Soupers applcmircn wenn nur die aristokratische Oligarchie ihre äußeren Embleme behält. Unterdessen hat nun freilich die gesetzgebende Versammlung neue Raths- uud Scnats- wahlen vollzogen, welche der ultrareactionären Reaction ein Dorn im Auge sind. Aber es schadet nichts. Möglicherweise kann man den Bundestag angehen, mit seinen Maßregeln noch hinter 1816 zu greifen, und dann gilt auch keine der neuen SenatS- und Nathswahlen mehr, dann erst ist ungefähr das Ziel erreicht, wohin man stiebt. Vielleicht daher auch der Entschluß jener Edeln, sich bei der bevorstehenden Wahl zur gesetzgebenden Versammlung ihrer Stimmen zu enthalten. Man sieht, die Herren haben mancherlei von der modernen Demokratie gelernt selbst in prsxi.

Jedem, der die hiesigen Verhältnisse genauer kennt, muß es auffalle», daß die Gönner ultramontancr Bestrebungen auch bei diesen Agitationen zu den Breschcbrechern gehören. Und darum mag der Glaube so allgemein sein, daß dieReformer" eigentlich nur als Drathpuppcn einer Politik handeln, welche überhaupt Südwestdeutschlcmd immer unbedingter abhängig von jenen Mächten machen will, deren Plane, theilweise vom Ul­tramontanismus getragen, jedenfalls vorläufig und äußerlich gestürzt werden. Um so stärker ist aber natürlich das allgemeineUebelbefinden" der weit überwiegenden Mengen, welche in einem solchen Gange nur den Anfang des Endes deutscher nationalen nnd socialen Entwicklungen der, wenn nicht formellen doch materiellen, Wiederherstellung

Greiizboten. IV. 18öZ. 1i