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Diesseits und jenseits des Oceans.
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mundschaft stand, mehr und mehr abhängig werden sieht.. Und schon sind eS nicht mehr blos die Rohprodncte eines jungfräulichen Bodens, welche Nord­amerika dem Welthandel liefert, schon versenden die nordöstlichen Küstenstaaten nach allen Welttheilcu die Erzeugnisse einer Industrie, deren Emporkommen diesseits des Meeres das mühsame Werk von Jahrhunderten war. Nenyork und Boston aNein verseudeten in den ersten sechs Monaten dieses und des vorigen Jahres einen Durchschnittswerth von etwa drei und eine halbe Million Dollars an Banmwollenwaarcn, eine Ausfuhr, die keineswegs auf die amerikanischen Märkte beschränkt blieb, sondern sich fast über alle dem Handel geöffneten Länder der bewohnten Erde, Ostindien, Australien, Kleinasien verbreitete. In einzelnen Zeiten des Jahres geht sogar der größte Theil des Exportes von Boston an Banmwollenwaaren nach Ostindien. Kein Wunder, wenn wir die amerikanischen Dampfer, die noch vor einem Jahrzehnt fast gar nicht in den europäischen und asiatischen Gewässern gesehen wnrden, vor Kanton, vor Konstantinopcl und Smyrna erscheinen sehen, nm den Handel zu unterstützen und die Rechte amerika­nischer Bürger zu schützen. Neben dem Uebergewicht, welches die entschiedene Demokratie mehr und mehr in der Leitnug der öffentlichen Angelegenheiten gewinnt, ist die fortdauernde Erweiterung des Handels ohne Zweifel das mächtigste Motiv, welches die Freistaaten aus der bisherigen passiven Stellung in den internationalen Angelegenheiten zu einer activen, energisch eingreifenden und schon jetzt ziemlich drohenden Haltung fortreißt.

So großartig indeß das materielle Miterleben in Nordamerika sich darstellt, es würde nur einen bedingten Anspruch auf unsere Bewunderung haben, wenn es das Ergebniß einer einseitigen, durch Vernachlässigung anderer edlerer, menschlicher Thätigkeiten und Zwecke ermöglichten Kraftäußerung wäre, wenn es gesondert von dem volitischcn, moralischen nnd intellektuellen Leben der Volksmasse erschiene. Die Zeit ist vorüber, wo es nöthig war, für die Vorzüge des nord­amerikanischen Staats- und Verfassungslebcuö den Beweis zn führen. Die Fanatiker der europäischen Reaction selbst verzweifeln daran, die Berechtigung und Gesundheit des amerikanischen Demokratismns mit Erfolg zu bekämpfen. Ein Berliner Professor hat sich viel Mühe gegeben, vom Katheder herab nach­zuweisen, daß da drüben, jenseits der grünen Wogen eine andere Erde sei und ein anderes Menschengeschlecht, tauglicher für die Herrschast der Majoritäten, als die blöde, altersschwache nnd reizbare Menschenrace des europäischen Bodens, die mir durch das Machtwort der Autorität zusammenzuhalten sei, und das fromme Berliner Blatt, das nnter dem Panier des Kreuzes ficht, hat noch vor kurzem demüthiglichst bekannt, daß es den gesunden Kern der amerikanischen Demokratie von dem tollen Wesen europäischer Demagogen unterscheide. Wir, die allerdings anerkennen, daß es in dem Charakter der Gesellschaft, in der alten und in der neuen Welt, gewisse Unterschiede gibt, die in der Bildung der Staats-