Beitrag 
Deutsche Geschichtschreiber. 1. : Die Welfen und Ghibellinen.
Seite
90
Einzelbild herunterladen
 

W

abgesehen von dem pietistischen, nicht sehr ästhetischen Angenverdrehen, das auch nicht fehlt. Man empfindet eine Natnr heraus, die hitzig aber ohne große Leiden­schaft ist, die also auch nicht den Maßstab wirklicher Größe hat. Uns scheinen diese Gesichtspunkte nicht unwesentlich, denn etwas vom Dichter muß der echte Geschichtschreiber haben.

Wir gehen zu einem andern, in der Tendenz entgegengesetztem Werke über das man aber häufig mit der Geschichte des Jnnocenz zusammengestellt hat:

Geschichte Gustav Adolphs, König von Schweden und seiner Zeit, für Leser ans allen Ständen bearbeitet von A. F. Gfrörer. Stuttgart, Rieger, -1837.

Anch Augnst Gsrörer (geb. 1803 im Schwarzwald) ging vom Studium der Theologie aus, aber seine Unioersitätszeit in Tübingen hatte ihm den prak­tischen Kirchcndienst verleidet. Er bildete sich erst als Gesellschafter Bonstetteus in Geuf, dauu iu Rom (1827) weiter fort, und erhielt endlich (-1830) eine Anstellung als Bibliothekar in Stuttgart. In seinen kirchengeschichtlichen Schriften >) wechseln die Standpunkte ziemlich rasch und stark; er reflectirte sich einmal in einen idealisirten Katholicismus hiuein, wurde auch 18iK Professor an der katholischen Universität Freiburg. Das einzige Werk von ihm aber, welches der allgemeinen Literatur angehört, ") geht von einem entschieden unkirchlichen Standpunkt aus, und hat grade dadurch seine Wirkung gemacht.

Er neuut sich selber, indem er einen historischen Parteinamen ans die gegenwärtigen Verhältnisse anwendet, einen Ghibellinen. Wenn Stichwörter schon überhaupt einen zweifelhaften Werth haben, weil sie immer mehr oder weniger sagen, als man eigentlich beabsichtigt, so gilt das doppelt von einem Stichwort, in dem sich zwei entgegengesetzte Richtungen vermischen. Die Ghibellinen waren, namentlich iu Italien, Vertreter der weltlichen Macht gegen das Papstthum, zugleich aber Vertreter der kaiserliche« Macht gegen die deutschen, vorzüglich norddeutschen Land csfürsten. Seit der Reformation war nun die kaiserliche Macht im Bunde mit dem Papstthum, dieWelsen" dagegen Feinde der Kirche. Ultra­montan nnd großdeutsch oder auch östreichisch sind hente verwandte Begriffe, der Sinn jder Worte hat sich umgekehrt/*") Wenn mau also den alten Begriff nnd anch in der alten Bedcntuug beibehalten, und dennoch auf etwas Modernes ausgehen will, so kaun das nur dnrch eine sehr künstliche, ja rasstnirte Reflexion vermittelt werden.

Der reflectirte Standpunkt zeigt sich schon in der eventuellen Parteinahme für entgegengesetzte Extreme. Gsrörer ist theils für Ferdinand II., theils für

*) ,,Philo und die jüdisch-alexandrinische Theosvphie". L Bde. -I«Z->-Geschichte des UrchristeulhmuS, 3 Bde. 1838.Allgemeine Kircheugeschichte." i Bde. 18-U-iti.

Außerdem u, a>:Geschichte der oft- und westftäukischen Karolinger." 2 Bde. -1843. ES war daher recht »»geschickt vou unserer Partei in Frankfurt, daß sie durch den Kaisertitcl Reminiscenzen hervorrief, die zu dem, was sie eigentlich wollte, nicht passen.