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ist mir noch die Belustigung einzelner Ortschaften, nicht mehr das Erinnerungsfest des ganzen Volkes. Mit der französischen Verwaltung dringen nach nnd nach französische Sitten ein, und wenn auch noch Jahrhunderte vergehen, ehe die Basken — oder Basken, wie sie sich selbst nennen, ihre Eigenthümlichkeit verlieren, ist doch das Verwischen des Ursprünglichen um so unabweislicher, da sie iu sich selbst zerrissen sind. Obwvl durch Abstammung, Sprache uud Gebräuche uah verwandt, stehen sich die französischen uud spanischen , Basken feindlich gegenüber. Was früher vielleicht nur ein neidisches Beobachten, ein mißtrauisches Zurückziehen war, ist durch die letzten spauischeu Kriege zum bittersten Haß geworden — denn bei Fontarabie kämpften Don Carlos baslischc Anhänger bis zum Tode gegen die französischen uud englische» Hilfstruppeu der Königin. Mancher Baske aus Svule nnd Labvur hat damals dem spanischen Brndcr gegenübergestanden, oder iu den gräßlichen QuintadaS, die Weiber, Kinder uud Greise mordeten, sein Gewehr abgefeuert. Aus den Weideplätzen des Hochgebirges finden uvch immer blutige Gefechte statt. Die Kugel des Gemsenjägers trifft häufig ein andres Ziel, als das flüchtige Jzard, und die Schluchten und Waldstrvme verschlingen das Opfer persönlicher Rache oder nationaler Erbitterung.
Es ist fast unmöglich, an diese Nachtseite des baskischen Lebens zu glauben, wenn man das schöne Land durchstreift, oder im Schntze der sprichwörtlich gewordenen Gastfreundschaft seiner Bewohner ansrnht. Die Heimat der Ordnung, des Friedens, der Behaglichkeit scheint nnö erschlossen — es ist nicht mehr bearuische Heiterkeit, die nuS umgibt, aber auch uicht spanische Grandezza. Der Tenfel uud die Mutter Gottes spielen freilich im Baskenleben eine bedeutende Rolle, aber auch die Liebe, der Ruhm und das Heimatgesühl, das alle Gevirgs- völker haben.
Es war Herbst, als wir das Baskeuland durchstreiften. Ans den Feldern reiften die gelben Maiskolben zur zweiten Jahresernte; die Kastauieu, die Obst- nnd Nußbäume waren schwer beladen nnd mühsam hielt sich die Rebe mit ihrer Traubenlast am Ulmenstamme. Ein Theil der Herden war schon aus dem Gebirge gekommen und bevölkerte die Wiesen am Ufer der Nive. Die Wälder prangten im gelbrotheu Blätterschmuck uud die purpurnen Ranken des wilden Weins zierten die Hecken und Lauben, schimmerten wie Blüten zwischen den Blättern des Kirschlorbeer nnd hingen in Kränzen nnd Guirlanden an den Zweigen.
Die kleinen weißen Häuser der Laudleute sind von Buschwerk halb versteckt; vor dem Eingange liegt ein Blumengärtchen, auf desseu wohlgepflegten Beete» späte Rosen, Reseda, Veilchen und bnnte Astern blühten. Hinter dem Hanse breite» sich die Obst- und Weiupflanzungen aus. Große Ställe uud Scheuern sind selten in der Nähe des Wohnhauses, den» die Herde» überwintern größten-
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