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der gebildeten Gesellschaft. Sie hat ferner das noch größere Verdienst, daß sie sich ernsthaft nm die concreten Frage» der Politik bekümmert und namentlich in Beziehung auf die Thatsache» eiue möglichst große Vollständigkeit und Genauigkeit angestrebt hat. Es ist ihr dies Verdienst um so hoher anzurechnen, da sie es zunächst mit dem demokratischen Pnblicum zu thun hat, welches eigentlich die tiefste Abneigung gegen alle Thatsachen empfindet und nnr nach Phrasen strebt, die als geprägte allgemein giltige Münzen ausgegeben nnd verwerthet werden können. In dieser Beziehnag hat sie ans die allmälige Fortbildung der Demokratie einen segensreiche» Einfluß ausgeübt. Wenn wir früher gegen sie polemisirt haben, so galt das weniger diesem eigentlich politischen Theil der Zeitung, als den Leitartikel» über allgemeine politische Frage». In diesen ist es uns immer vorgekommen, als ob die Zahl der Worte in keinem Verhältniß zur Zahl der Gedanken stände. Es kommen zwar sehr viel soge»an»te allgemeine Gedanken darin vor, aber wie diese Gedanke» mit der bestimmten Frage zusammenhingen, das ist uns nie recht deutlich geworden, »nd wir hielten das für um so schädlicher, da die Demokratie, die doch zum große» Theil auf die niedern Vvlkö- classen basirt nnd daher an folgerichtiges Denke» überhaupt uicht gewöhnt ist, beides miteinander in Kauf nahm, die allgemeinen politischen Ideen nnd die Anwendung ans die bestimmte Frage, ohne sich über das Verhältniß der einen zn den andern genaue Rechenschaft zu geben. — Wir wolle» hier nicht weiter darauf eingehe», da es sehr möglich ist, daß die Blätter unserer Partei sich ähnliche Fehler haben zu Schulden kommen lasse». Wir wollen daran nur die Bemerkung knüpfe», daß wir es im Interesse einer gedeihlichen Einwirknng für wünschenswerth erachten, daß die Blätter einer Farbe soviel wie möglich darauf ansgehen, grade die schlechten Neigungen und Gewohnheiten ihres Publicums zn bekämpfen.
Denn diese Neigungen und Gewohnheiten scheiden das demokratische vom constitntionellen Publicum viel mehr, als die Principien; ein Unterschied in den Principien ist allerdings auch vorhanden, und wir sind keineswegs der Ansicht, daß man diese zu Guusteu einer augenblicklichen Lage muthwillig aufopfern soll, aber sie kommen erst in zweiter Reihe. Diejenige» Volksclassen, ans dene» die Demokratie vorzugsweise beruht, fiud geneigt, überall mehr dem Gefühl nnd der Leidenschaft zu folgen, als dem Verstand; überall ans ein nnerwartetes, unbegreifliches Ereignis) zu rechnen, wo nnr die »»ausgesetzte, fortdauernde, mühsame Thätigkeit etwas erreiche» kann; auf eine Revolution-wie auf einen äeus vx MÄLtulik zu spcculireu, um wie durch ein Wunder alle Widersprüche der historischen Voranöschuug zn beseitigen. Die große Masse des konstitutionellen Publicnms dagegen ist geneigt, den Thatsachen Rechnung zu tragen, und sämmtliche große politische Fragen von de» möglichst verschiedenen Seiten zn betrachten, während man doch nnr dann eine» Schritt vorwärts kommt, wenn
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