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Die orientalische Frage.
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löst

Kaiser seine Entscheidung abgeben soll, vermögen wir im einzelnen aus dem Gewirr der Zeitungsnachrichten nicht zu enträthseln. Man scheint ihm eine ganze Anzahl zu beliebiger AnSwahl Übermacht zu haben. Nur die Hauptsache steht fest: es werden seine Forderungen im wesentlichen alle bewilligt, und er soll nur dafür, um doch deu Schein zu retten, eine Art Erklärung abgeben, die nichts sagt oder die sich von selbst versteht. Möglich ist es freilich, daß ihm auch das noch zuviel erscheint, und in diesem Fall wird man anch die Erklärung fallen lassen; aber wir halten es nicht für wahrscheinlich, denn der Kaiser ist jetzt in 'der günstigsten Lage, sich ohne Gefahr gegen seine gedemüthigten Geguer groß­müthig erzeigen zu können. Möglich ist es ferner, daß die alttürkische Partei die Sache auf die Spitze treibt und es dennoch znm Bruche bringt. Aber auch daran glauben wir nicht. Wir müssen vielmehr offen die Ansicht aussprecheu, daß die alttürkische Partei mehr in der Phantasie des Abendlandes, als in der Wirklichkeit zu finden ist.

So wäre denn der Friede hergestellt, die europäische Civilisation gesichert! Aber um einen theuern Preis. Die Ehre Englands war nicht nnr ein Gut die­ses einzelnen Staats, sie gehörte zum Capital Europas, und diese Ehre ist schwer verletzt, nicht blos durch die Regierung, sonderu auch durch das Volk. Wir haben die Stellung Englands mit der Stellung Preußens in den Tagen von Olmütz ver­glichen; aber sie ist eigentlich noch schlimmer, denn die ganze Verantwortlichkeit von Olmütz lastet auf der Regierung, das Volk trifft keine Schuld. Es war auf den Ruf des Königs eifrig und mit einem gewissen Stolz zu den Waffen geströmt; es hatte sich zn jedem, auch dem schwersten Opfer bereit erklärt, soweit es ihm durch die bestehenden Formen der Verfassung vergöunt war, seinem Willen einen Aus­druck zn geben, hatte es aufdas Entschiedenste sich für die Aufrechterhaltung der preußi­schen Ehre auf jede Gefahr hin ausgesprochen. Das englische Volk dagegett blieb stumm, und wenn wir das solange für weise hielten, als die Sache selbst noch im unklaren war, als man noch der Regierung vertrauen konnte, sie werde die Ehre der Nation zu wahren wissen, so ist uus dieses Schweigen jetzt, wo kein Zweifel mehr sein kann, vollkommen unbegreiflich. Die politische Abgestumpfthcit des Continents hat sich also auch uach England übergepflanzt. Aber die übermüthige» Briten mögen sich jetzt etwas besinnen, ehe sie ihr herausforderndes Nnle Britannia an­stimmen; ihre eigenen Jungen müßten sie auslachen.

Der einzige Umstand, der uns bei dieser ganzen Sache einigen Trost ge­geben hat, ist die Haltung der deutschen Presse. Mit Ausnahme der Kreuz- zeitnng und einiger vereinzelter Stimmen in der Angsburger Allgemeinen hat sich die gesammte Presse einmüthig mit Energie, Einsicht und Ausdauer für die allein richtige Auffassung erklärt. Die Unterschiede der Parteien sind für den Augen­blick vollständig verwischt, und das Raisonnement des Preußischen Wochenblattes, der Nationalzeitung und der constitntionellen Provincialpresse geht, wenn man die