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barkeit Oestreichs für die Hilfe in Ungarn sein möge, die Natur der Dinge ist stärker als alle Intentionen der Könige, die doch am Ende sterblich find.
Wenn also, abgesehen von der persönlichen und der sogenannten principiellen, d. h. antirevolutionären Politik, ein enges Bündniß zwischen England und Oestreich durch die ganze Sachlage mit Nothwendigkeit indicirt ist, so wird die Haltbarkeit dieses Bündnisses nun durch Zuziehung eines dritten, nämlich Preußens, festgestellt.
Die bisher bestandene Allianz zwischen Nußland, Oestreich uud Preußen konnte nnr conservativ, antircvolutionär, höchstens antifranzösisch sein; wie un- productiv sie in ihrem innersten Wesen war, zeigt die russische Grenzsperre, zeigt der schleswig-holsteinische Krieg. Oestreich und Preußen haben von der russischen Allianz positiv nicht den geringsten Gewinn, denn die materielle Stütze, die He in Rußland suchen, können sie reichlich in ihrer eigenen Kraft finden, wenn sie diese nicht in zwecklosen Unternehmungen zersplittern. Eine Allianz dagegen zwischen Oestreich, Preußen nnd England, zu der selbstverständlich Deutschland, serner Belgien und Holland treten würden, nnd die Rußland und Frankreich gegenüber die Unabhängigkeit der verbündeten Staaten wahrte, könnte höchst prodnctiv auf die Entwickelung der allgemeinen europäischen Verhältnisse einwirken — vorausgesetzt freilich, daß in Italien und der Schweiz die Lage der Dinge eine bestimmtere Physiognomie annähme.
Eine solche Allianz wäre freilich unvereinbar mit der Fortdauer der Schwarzen- bergschen Politik. Allerdings hat Oestreich unter der Leitung des Fürsten Schwarzenberg seinem Nebenbuhler um die deutsche Hegemonie eine Reihe empfindlicher Niederlagen beigebracht — Ollmütz, Hessen, Schleswig-Holstein. Aber wir fürchten, solche Siege Oestreichs möchten zuletzt den Siegen des Pyrrhus gleichen. Jede Schwächling Preußens und jeder heimliche Groll, den Preußen uährt, übt einen verderblichen Einfluß auf Oestreich aus, denu es vergrößert seine Abhängigkeit von Nußland. Ein starkes Preußen, welches nach dem Norden, nach dem Meere hin seine Kraft frei entwickeln kann, und darin nicht dnrch kleinstaatliche Eifersucht gehemmt wird, ist der sicherste Bundesgenosse Oestreichs gegen Frankreich oder Rußland. Ein verletztes und gekränktes Preußen dagegen ist auch für Oestreich die größte Gefahr, denu wie dieses die dynastischen Sympathien, so könnt« jenes, wenn endlich die Kränkung das Maß übersteigt, noch andre Geister heraufbeschwören, und dann würde seine Wirkung furchtbar seiu. Preußen ist die kleinste aller Großmächte, aber seine ganz eigenthümliche Lage macht doch bei 'jeder allgemeinen Krisis seinen Einfluß entscheidend.
Preußen hat keine unmittelbaren Interessen im Orient, es kann also an England uud Oestreich, namentlich da seine Lage gegen Frankreich die gleiche ist, sich anschließen, sobald man ihm dafür seine Stellung in Norddeutschland unver- kümmert läßt.