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dort das Abendmahl zu serviren, waren gegeben, und im Halbdnnkel der den kleinen Pavillon dicht überhängenden Zweige verzehrte der Monarch seine Mahlzeit. Er ißt stets nur allein; das Mitessen einer anderen Person, denn es müßte aus derselben Schüssel und ebeiisalls mit den Fingern geschehen, wie es nun einmal Sitte ist, wäre gegen die Würde des höchsten Souverain's. — Rings um den kaiserlichen Kiosk liegen griechische Gärten. Sie sind durch Erdwälle eingefaßt, die nach dem Reitwege zu mit kleinen Steinen ohne Verband bekleidet sind. Seitdem der Sultan den Pavillon im Gebüsch öfter besucht, um Abends dort zu tafeln, sind diese Stcinbekleidungen, die zum Theil eingestürzt waren, wie man mir sagt von den griechischen Besitzern aus eigenem Autriebe wieder hergestellt und der Weg ist sauber gekehrt worden. Das zeigt mindestens dafür, daß der Herrscher in seiner Milde und Güte erkannt und daß ihm mit entsprechenden Gefühlen begegnet wird.
Es wäre ein großer Irrthum, wenn man annehmen wollte, die griechische Bevölkerung sei ihrer Hauptmasse nach mit einer Einverleibung der Türkei in das russische Reich einverstanden und werde dieselbe freudig begrüßen. Was die untere Schicht dieser Nation anlangt, so versteht sich von selbst, daß sie, wie allenthalben, ohne politische Einsicht und darum ohne Meinung ist. Zu ihr zählen die Bummler, welche das russische Palais von Morgens früh bis spät Abends umstehen und die vor dem russischen Fürsten demüthiglich das Fez vom Kopfe nehmen. Ich sah mit eigenen Angen und zu mehreren Malen, wie ihnen von russischen Beamten Almosen verabreicht wurden, in blanken, kleinen Silberstücken. Diejenige Region, in der politische Meinungen Wurzeln finden, ist die Bewohnerschaft des Fanar, (darum Fanariotische Griechen) das Fcmbourg St. Germain von Stambul. In jenen Vierteln hat die griechische Aristokratie ihren Sitz. Diese Adels - Familien sind zum Theil durch Beamtung einzelner ihrer Mitglieder kluger Weise ins türkische Interesse gezogen und aus diesem Grunde Anhänger des osmanischen Gouvernements, theils sind sie demselben feindlich gesinnt, indeß ohne darum russenfreundlich zu sein. Die Fanarioten von unabhängiger Gesinnung wollen ein großes, freies Griechenland, darin Stambul Residenz des Herrschers uud Mittelpunkt werden würde.
Vor meinen Fenstern tummeln sich eben flatternd und schreiend ein halbes Dutzend Geier, schwarz und weiß gezeichnet, die ihre langen Hälse nach einem jüngst in der Nähe gefallenen und nur halb beerdigten Pferde ausstrecken. Das war früher tägliches Schauspiel; jetzt bemerke ich es als eine Ausnahme, und dennoch liegt meine Wohnung eine halbe Stunde von der eigentlichen Stadt entfernt.