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Aus Constantinopel.
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Straße von seßhaften Hundefamilien bewohnt und ein fremder Hund nicht dort gelitten werde. Wie stark die Abnahme ist, wird aus der Notiz erhellen, daß auf dem großen Kamgo gegenwärtig kaum mehr wie fünfzig Hunde laufen. Vor fünf Jahren sollen dort noch tausend zu fiudeu gewesen sein.

Das will als Kleinigkeit erscheinen. Dennoch findet man bei einer näheren Beleuchtung, daß es seine Bedeutung hat. Die Hunde stehen nämlich hier nu­merisch im Verhältniß zu der Nahrungsmasse, welche sie aus den Straßen finden. Sehr unreinliche Straßen, wo oft viele Speisereste aus den Häusern hinaus­geworfen zu werden pflegen, sind der Sammclort von einer größeren Hnndemeuge, wie reinlichere Stadtgegendeu und in denen jene Gewohnheit nicht herrscht. Darum spricht die Abnahme der Huude iu Constantinvpel und Pera für die zunehmende Sauberkeit in dieser Hauptstadt. Vor weuigen Jahren noch kam es vor, daß Pferde-Cadaver im Innern, und zwar nicht etwa auf entlegenen Plätzen, sondern in den belebtesten Straßen mehrere Tage liegen blieben und ganze Stadtviertel verpesteten; ja es wurden Hinrichtungen in eugen Gassen vollzogen, der Kopf, welcher unter dem Säbel des die Execntion ausführenden Cawassen vom Rumpf fiel, ward dem Missethäter auf die Brust gelegt, und so blieb der Leichnam liegen, bis die Zunächstwvhnenden einige Piaster daran wendeten, um ihn durch Lastträger, die sich hier zu Allein gebrauchen lassen, bei Nacht in eine andere Straße transportiren zu lassen. Dergleichen ist jetzt hier ganz unerhört und kommt nicht mehr vor. Die Hinrichtungen überhaupt sind »m vieles seltener geworden, ich erinnere mich seither von keiner einzigen gehört zu haben. Gewiß sind das alles Zeichen zunehmender Gesittung und es ist keine Frage, daß der milde und weiche Charakter des jetztregiereudeu Kaisers ganz besonders empfäng­lich für die Mahnungen gewesen ist, die fremde StaatSmäuuer, in jüngster Zeit namentlich Lord Stralford, sich Gelegenheit genommen, zu geben. Ich verweile in meinen Briefen an Sie gern bei dieser herzgewinnenden Persönlichkeit, so oft ich sie berühre, und vergesse es ungern, ausdrücklich anzumerken, wenn ich den os- manischen Monarchen kürzlich zuvor geseheu. Dieses war wiederum vorgestern der Fall. Sein Hof bemüht sich eben in diesen Wochen anf's Angelegentlichste, ihm Zerstreuung zu verschaffen, indem doppelter Knmmer, der Schmerz nm den Verlust der von ihm sehr geehrten Mutter und politische Sorgen und Aengste seiner Gesundheit sehr zusetzen.Mein Gott!" soll er neulich mit Thränen in den Augen ausgerufen haben,was will man in Petersburg von mir? Ich thue doch Niemandem etwas zu Leide; warum versucht man ohne Unter­laß sich an mir zu reiben nnd mich zu kränken?"

Iu dem lieblichen Thalgrnnde bei FlaMmur, dessen ich, wenn ich mich recht entsinne, in einem meiner voransgegangenen Briefe bereits erwähnt, hat Abd-ül- Medschid einen tief unter Cypressen, Akazien, Linden uud Birken versteckten Kiosk (sprich Köschk). Dahin war es, wo er sich auch vorgestern begab. Die Befehle,