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auffallend, daß von diesem Document keine zugängliche Abschrift existiren sollte, auch nicht bei der Behörde, welche in allen großen deutschen Staaten, wo Fidei- coinmisse vorhanden sind, die Obcranssicht nnd Cvntrole derselben zu führen hat, indeß, es hat dem Dichter so gefallen, das Document ist nur einmal vorhanden, und Niemand scheint davon zu wissen, als der Majoratsherr, sein vertrauter Secretair und sciu Erbe. — Der Erbe, ein liebenswürdiger, gutherziger, glänzender, junger Herr, sieht die Nothwendigkeit eiu, das Document in seine Hände zu bringen, er versucht zuerst deu Secretair des Majoratsherrn zu bestechen, und beschließt endlich, sich das Document heimlich aus dem Schrank zu nehme», was wol möglich ist, da er als Gast im Hause des Majoratsherrn lebt. Es ist Abend, edle, feinfühlende Frauen, eine würdige Taute und seine Braut, sind bei ihm, außerdem ein treuer Freund, da bekommt er Nachricht, wie das geheime Fach zu öffnen sei. Er fordert mit Entschlossenheit seine Umgebung auf, ihn dabei zu begleiten. Sie thun das ohne jedes moralische Bedenken. — Darauf erfolgt die Katastrophe der Erzählung; in dem geheimen Fach ist nämlich ein Selbstschuß angebracht und der Majoratsherr hatte die Absicht, den Vetter durch diesen Selbstschuß zu tödten; aber bevor dieser sich in die Gefahr begiebt, ist der schlechte Secretair des Majoratöherru ihm zuvorgekommen, dieser fällt als Opfer, Allen wird klar, daß der Majoratsherr durch diesen Selbstschuß seinen Erben hat umbringen wollen, er wird von der ganzen Familie Mörder genannt, ein plötzlicher Schlagfluß tödtet den Entlarvten. Anch hier ist wieder die ganze sittliche Entrüstung gegen den bösen Aristokraten gekehrt, und der sehr zweideutige und durchaus uicht zu rechtfertigende Vorsah des jnngen Helden, das Document heimlich für sich zu nehmen, wird als etwas behandelt, das zwar uicht ohne Bedenken, aber doch vollkommen zu entschuldige», ja in seiner Lage natürlich ist; und von allen Persönlichkeiten wird mit einer Toleranz darüber weggegangen, die wahrhaft betrübend ist. Sich bei Nacht in das Zimmer eines Feindes schleichen, durch Bestechungen die Schlüssel seines Schreibtisches erobern, diesen Schreibtisch öffnen, die Papiere desselben durchsuchen, nnd eins dieser Papiere Heransnehmen, nm dasselbe als Beweismittel für Geldansprüche zu benutzen, die man an diesen Feind macht, das ist ein Beginnen, das jeder Mann von Ehre als unehrenhaft verdammen, jedes Recht als einen flagranten Act unerlaubter Selbsthilfe verurtheileu muß. — Daß der junge Held diese löbliche That nicht bis zum Ende bringt, ist nicht sein Verdienst uud rechtfertigt ihn in den Augen des Lesers durchaus nicht. — Wollte der Verfasser aber seinen Helden in diese unehrenhafte Handlungsweise hereinführen, so mußte das Zweideutige uud Schlechte dieser That stark hervorgehoben werden, es mußte gezeigt werden, wie auch ein guter Mensch durch das Unnatürliche nnd Unsichere seines Besitzes und seiner Ansprüche zu schlechtem Thuu verführt werden kann, dann aber war eine ganz andere Ausführung der Charaktere nöthig, als bei Mügge gewöhnlich ist.