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Wochenbericht.
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Schwarzenberg vorzuweisen vermag, in welcher er ohne den Canton Tessin auszunehmen erklärte, er werde der Schweiz niemals die für Oestreich gewiß sehr wichtige gute Haltung während des lombardischen Krieges ver­gessen!

Im Uebrigen glaube man nur nicht, daß der Canton Tessin oder vielmehr die Negierungsverwaltung desselben in großem Ansehn bei der übrigen Schweiz stünde. Obwol man es in rühmlicher Erinnerung bewahrt hat, daß die beiden Cantone Bellinzona und Lugano, welchen 1803 als Canton Tessin durch die Mediation mit der Schweiz vereinigt wurden, fünf Jahre vorher 1798 sich durch keine Versuchung verleiten ließen, vorder helvetischen Republik hinweg sich Cisalpinien anzuschließen, so ist doch die Verwaltung und der Zustand Tes- sins in der übrigen Schweiz sozusagen sprichwörtlich geworden zur Bezeichnung übler Verhältnisse , die sich gleichsam von selbst verstehen. Wenn James Fazy in der Genfer Großrathssitzung vom 16. März erklärte: er wünsche die Einbe­rufung der Bundesversammlung, grade deshalb aber sei er dagegen, daß Genf dieselbe anrege, denn bei dem Urtheil der Eidgenossen über Genf genüge es, daß Genf Etwas wünsche, um es unmöglich zu machen so steht zwar nicht zu besorgen, daß er von vielen Stimmen eines Irrthums bezüchtigt werde, aber dieses Urtheil über Genf beruht auf den für die Eidgenossen vielfach festgestellten Tendenzen der Genfer Regierung; bei Tessin aber verzweifelt man fast an der Fähig­keit der Bewohner, daß sie sich bei aller cantonalen Eigenthümlichkeit aus eine mit der Gesammtschweiz im Allgemeinen gleiche Basis für das Staats- und Volksleben hinaufzubringen verstehen würden. Es ist sehr bezeichnend, daß Ge- rold Meyer von Knonau in seiner Erdkunde der schweizerischen Eidgenossenschaft dem Canton Tessin als Motto die Worte I. I. Rousseau's vorgesetzt hat:La Mtrie ne peut sudsister s^ns Isr lidsrte, ni, la, liberte saus la vertu, ni la vertu sans les eito^ens, Vous aures tout, si vous forme/, des oitovens, s-rns esla vous n'aure/ <1UK üe ineenants eselaves; Ä oomineneer vkr 1e enets ue l'ettrtl Das ist freilich in den dreißiger Jahren geschrieben und zu einer Zeit also, in welcher eine der jetzigen diametral entgegengesetzte Regierung dem Canton vorstaud; aber ganz bedeutungslos ist es auch für die heutige Zeit nicht geworden. Es ist immer ein Zeichen roherer Staatszustände, wenn die Regie­rungen uud ihre Principien in extremen Gegensätzen sich ablösen. Der Canton Tessin hat entweder eine reactionäre oder eine radikale Regierung sich auserkoren, und daher erklärt sich hinlänglich ebensowol die bedeutende Spaltung, welche gleichsam zwei Bevölkerungen trennt, wie die Neigung bei den Negierungen durch extreme Maßregeln die Vergangenheit zu ahnden, die Gegenwart zn feiern, die Zukunft zu sichern. Die Kluft zwischen beiden Parteien wird dadurch noch grö­ßer, daß sich auch in Tessin der jetzt fast über die gesammte Schweiz verbreitete Gegensatz der ländlichen und der städtischen Bevölkerungen in den Cantonen