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Die Parteien im französischen Clerus. 1.
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Kurze Zeit darauf (23. Februar) ließ der Erzbischof vou Paris den geist­lichen Redacteuren desAmi de la Religion", derGazette de France", der' Voix de la Berit«" und derPresse religieuse" eiucn Brief zugehen, in dem er sie in mildem und väterlichem Tone ermahnt, alle Discusstonen über innere Fragen der Kirche und des Glaubeus zu unterlassen und ihre Aufgabe iu dem Kampf gegen die Feinde der Religion zu suche». Der öffentlichen Verdammung desUnivers" geschieht darin Erwähnung, so wie seines Treibens, alseines, ob- wol vergeblichen Versuches das französische Episcopat in zwei Parteien zu spal­ten, wenn es schon gelungen sei, ihm eine befremdende und gewaltsame Lage zu bereite»." Herr Sibour sollte indeß bald erfahren, daß der Versuch einer Spal­tung des Episcopats dc»n doch nicht so ganz vergeblich gewesen sei.

Wir haben vorhin erwähnt, daß Herr Sibour iu Folge der Schwenkung, die er nach dem zweiten Dezember uothgedruugeu machte, die Unguust in Etwas verminderte, in der er vor dem Umsturz der republikanischen Verfassnng bei dem Präsidenten Louis Napoleon stand. Man kann jedoch nicht sagen, daß die ver­änderte Haltung des Erzbischofs von Paris ihm beim heiligen Stuhle zu Gute gekommen wäre. Hatte er sich gleich vom Büudniß mit der Demokratie, das man ihm vorwarf, losgesagt, so beargwohnte man ihn doch nichts desto weniger galli- canischcr Tendenzen, und im Allgemeinen war die von Herrn Sibour auch jetzt noch eingehaltene Richtung den Räthen, welchen Pins IX. sich nach dem unglück­lichen Ansgang seiner vvlksbcsreicnden Misston in die Arme geworfen hatte, als noch immer viel zn freisinnig, im höchsten Grade mißliebig. DerUnivers" konnte daher wol auf alle Fälle rechuen, vom heiligen Vater uicht aufgegeben zn wer­den, wenn auch die Rücksicht auf den hohen Rang des Kirchenfürsten, dessen Verdammung ihn getroffen, und auf die nicht kleine Zahl der Anhänger desselben, den römischen Hof Anstand nehmen lassen möchte, den Erzbischof offen zu desavonireu. Ein Schreiben, welches Herr Louis Veuillot unter dem i. März von Rom aus an seiue Getreuen in Paris sendete, beweist, mit welcher Zuversicht er darauf rechnet, einen Rückhalt bei dem heiligen Stnhle zu finden, oder vielmehr mit welcher Bestimmtheit er weiß, einen solchen an ihm zu besitzen. Die salbuugs- volle Geschmeidigkeit, mit der er unter der Maske der tiefsten Ehrfurcht dem Erzbischof von Paris die empfindlichsten Hiebe versetzt, und unter der Berufung auf sein Gewissen, den zähen Trotz, dessen, Verdammung nicht weichen zu wollen, verbirgt, ist zu characteristisch sür die Richtung, der er angehört, sie be­zeichnet zu sehr die Art dieses kirchlichen Parteikampfes überhaupt, als daß wir uicht Mehreres aus diesem Briefe mittheilen sollten; Herr Veuillot benachrichtigt seine lieben Freunde" zuerst, daß er Souuabcud den 26. Februar Morgens derPrivatmesse" des heiligen Vaters beigewohnt und daraus aus seiner Hand das heilige Abendmahl empfangen habe.Sie wissen, sagt er, mit welchen Ge­fühlen ich Sie alle und unsere Werke mit Ihnen an den Fnß des Altars brin-

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