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Wochenbericht.
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Briesschast ersehen. Die religiöse Indifferenz hat nun eine Schwester in der politischen im Herzen der Franzosen gefunden, und diese lassen das Kaiserreich über sich ergchen, als ob es sich um Haiti handelte und nicht um das eigene Vaterland. Eigenthümlich und kennzeichnend sür die- Franzosen ist die plötzliche Wendung in ihrer Sprachweise, die über Nacht wie durch ein magnetisches Napportwunder ganz allgemein geworden. Bisher, wo noch einige Schwierigkeiten, wenn auch nur scheinbar, den hochstrebcnden Planen Napoleon's III. sich entgegenstellten, war Alles für den Kaiser, das heißt, glaubte Alles an das Gelingen seiner Zwecke und seiuer zukünftigen Absichten. Die Börse, die Politiker, man kam allgemein überein, daß Louis Napoleon ein Sonntagskind sei, dem Alles nach Wunsch von Statten gehen müsse. Jetzt, wo er in den Tuilcrien wohnt als proclamirtcr, lcgalisirter, bald von allen Staaten Europas anerkannter Mon­arch, jetzt schütteln sie altklug das Haupt, der Börse schlottern die Beine, und kein Mensch hat Zutrauen mehr auf den Bestand der Dinge. Ist man vorwitzig oder un­französisch genug, zu fragen, woher diese plötzliche Veränderung in der Anschauung der Dinge? antwortet man einem:Das ist ganz natürlich, und jedes Kind muß es ein­sehen; Louis Napoleon hat erreicht, was er wollte, er hat die unmöglichsten Wünsche seines Ehrgeizes erreicht, und nun kann es nur abwärts mit ihm gehen." Diese Ueber­zeugung liegt in der Luft, man athmet sie ein, ohne zu wissen, wo und wie.Min- tensnt es »6 pout que äkgrinZoler!" , damit ist Alles gesagt, und der gute Franzose lächelt schelmisch wie Tallcyrand, wenn er einer diplomatischen Spitzbüberei den tadel­losen Salonsrack umgehängt. Wenn ich Ihnen hier von Franzosen spreche, so will ich nicht blos den Kannegießer, den politischen Spießbürger gemeint wissen, ich spiele dabei auf dasselbe Lullrsgs universsl an, das Louis Napoleon zum Napoleon III. gemacht hat. Selbst Thiers denkt nicht anders, und er hielt es sür der Mühe werth, eine be­sondere Reise nach Claremont zu machen, um der jüugern Linie der Orleans von der Fusion abzurathen, da das Kaiserreich nicht lange dauern könne. Vielleicht läßt sich Thiers bereits zum Ministerpräsidenten ernennen, uud kommt mit einem Portefeuille in pgrtibus iiMölium zurück. Das Revolutioniren ist den Franzosen noch lange nicht so sehr aus dem Kopfe gegangen, als man vielleicht glauben möchte. Sie sind müde wie eine Tänzerin, die etwas zu viel gewalzt hat, aber lassen Sie die gute Dame nur aus­schnaufen, und Sie sollen sehen, was aus ihrem Gelübde, nie mehr einen Tanzsaal zu betreten, werden wird. Frankreich ist wie Rousseau, nach jedem Werke, das über die Barrikaden geht, schwört es, das soll meine letzte Nevolntion sein, nnd ehe man noch Zeit hat, sich von der letzten zu erholen, kommt die neue. Hiermit wollen wir aber durchaus nicht die Eulcnspiegcltheorie von Berg an und Berg ab der Franzosen in Schutz nehmen. Ich glaube vielmehr, daß LouiS Napoleon, ein unvoraussehbares Ereigniß abgerechnet, ganz der Mann ist, die Lection, welche Frankreich durch den zweiten December bekommen, nach allen Seiten hin zu vervollständigen. Was bisher geschehen, ist nur ein kleiner Ansang, und ein geistreicher Frcuud von mir hat ganz Recht, wenn er sagt:nous v'surons pss Is liborts, II est vrsi, msis »ous surons uns prison äkmoorstiqus svev lies fers sooi-mx." Für die Ge­staltung der Dinge im Innern wird es gewiß so kommen, und trotz der fortwähren­den Huldigungen, welche der Kaiser der Geistlichkeit (wie man sagt, der Religion) dar­bringt, trotz der voraussichtlichen Gründung eines neoimvericilistischcn Adels, trotz der Mitschuld an dem agiotirenden Treiben der Bourgeoisie wird der Kaiser Alles thun, um