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Das Kaiserreich und der europäische Friede.
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Verhältnisse fast jedes Einzelnen, daß die allgemein herrschende, bei jedem Anlaß sich regende Unruhe nnr zu natürlich ist.

Wir gehören nicht zu denen, welche auf die Worte, die Louis Napoleon in Bordeaux gesprochen hat:Das Kaiserreich ist der Friede", und die man in Frank­reich jetzt mit Ostentation zum Wahlspruch des neueu Regime's erheben will, einen wesentlichen Werth legen. Es bedarf nur der Hiuweisung auf die Versicherungen des Präsidenten zwischen dem 10. Decbr. 18i8 und dem 2. Decbr. 1851, um es Thorheit zu uennen, aus seinen Worten auf seine kommenden Handlungen schließen zu wollen. Die Werthlosigkeit jenes kaiserlichen Programms in Bordeaux leuchtet aber ferner aus der einfachen Betrachtung ein, daß Louis Napoleon, mag er nun kriegerische oder friedliche Vorsätze hegen, in seiner Lage nicht anders sprechen konnte. Welche Regierung in Europa wird heut zu Tage eine Eroberungspolitik offen auf ihre Fahne setzen, welche wird nicht in jedem Falle vergrößerungs­süchtige Projecte unter friedlicher Maske verbergen, um später sich zu dem Krieg, den sie etwa sucht, als durch die Umstände gedrängt, darstellen zu können. Selbst der große Napoleon erklärte unaufhörlich seine Liebe zum Frieden nnd beschuldigte die Kabinette, welche das Anschwellen der französischen Macht in eine unerträgliche Lage versetzte, ihn zu immer neuen Kriegen zu zwingen. Worte und Ver­sicherungen beweisen in Louis Napoleon's Lage nicht das Geringste. Es fragt sich nur darum, ob er den Frieden halten will und ob er ihn hatten kann. Wir gestehen aufrichtig, daß wir Beides nicht glauben. Die Ansicht, daß Louis Napoleon gesonnen sei, die in den Verträgen von 1815 Frankreich gegebenen Grenzen definitiv für das Kaiserreich anzunehmen, widerspricht völlig seinem Charakter und den Ideen, die er mit so zäher Hartnäckigkeit bisher verfolgt hat. Wir glauben allerdings nicht, daß er daran denkt, die kolossale Macht seines Oheims in ihrem ganzen Umfange wiederherzustellen, die Prinzen seines Hauses auf die Throne von Spanien, Holland, Neapel und Westphalen zu setzen, den Rheinbund zu erneuern nnd die eiserne Krone zu der kaiserlichen zu fügen, ja wir zweifeln sogar daran, daß er ernstlich beabsichtigt, die Oberherrschaft Eng­lands über die Meere zu vernichten. Aber wir glauben noch weniger, daß er darauf verzichtet, das Gebiet Frankreichs bis an seine sogenannten natürlichen Grenzen auszudehnen. Mit diesen Grenzen begann das Kaiserreich unter seinem Oheim, das Festhalten an denselben zerschlug alle Friedensunterhandlnngen wäh­rend des Feldzuges von 181i, und führte zum Sturze Napoleon's. Sein Neffe hat in seiner Vertheidigung vor dem Pairshofe (18i0) es ihm zum Ruhme angerechnet, daß er vorzog, lieber seine Krone zu verlieren, als Frankreich aus einen Umfang beschränken zu lassen, der seine Macht und Wohlfahrt beeinträchtige, (allerdings ein nicht gerechtfertigtes Lob, denn nach der Einnahme von Paris, so wie nach der Rückkehr von Elba war Napoleon bereit, auch diese Grenzen an­zunehmen), und gewiß betrachtet er noch heute den Besitz Belgiens und des linken