238
Verständniß ist seitdem im Publicum gewachsen, Kleist ist ein Liebling der Nation geworden und lange schon wird eine neue Bearbeitung des Käthchens allgemein gefordert, welche das Original in seiner Kraft und Lieblichkeit und in der Eigenthümlichkeit seines Geistes wiederherstelle, soweit es die unerbittliche Realität' der theatralischen Darstellung irgend zuläßt. Ich habe diese Bearbeitung versucht; die Rechtfertigung meines Verfahrens dabei muß die Arbeit selbst übernehmen. Nnr bei einem Punkte, der Enthüllung nämlich von Käthchens Herkunft, mnß ich in Erinnerung bringen, daß es ein Wink Ludwig Tieck's (in seinen dramaturgischen Blätter») ist, den ich dazu benutzt habe; ich fand, daß der hcikliche Punkt nicht nur dadurch auf'S Beste gelöst, sondern dem Stücke dadurch ein neues Interesse zugeführt würde/
Daß die treuere Wiederherstellung des Originales der Aufführung große Wirkungen darbietet, welche das Theatcrpublicnm bis jetzt gar nicht kennt, daß daher bei einigermaßen sorgfältiger Darstellung und Sceniruug das Stück eine ganz neue Anziehungskraft auszuüben verspricht, wird schon dem ersten Ueberblicke nicht entgehen." — Die Bearbeitung selbst ist vortrefflich; ein Vergleich mit dem Original, so wie mit Holbein's roher Arbeit ist Schauspielern, wie dramatischen Schriftstellern dringend zu empfehlen. Devrieut verspricht in solcher zeitgemäßen Bearbeitung älterer Stücke fortzufahren. Keiner in Deutschland hat dazu so wie er das Zeug, möge ihm nnr nicht der Schlendrian unsrer Bühnen die Lust rauben, dergleichen Arbeiten ferner zn untcruchmen, bei denen er außerdem seine Uucigcimützigkeit und Liberalität erweist.
Der afrikanische Tragöde, Jra Aldridgc, dieser Talma des Senegals, wie ihn begeisterte Theatercorrespondentcn nennen, haust jetzt in der Schweiz, und es droht die Möglichkeit, daß er auch über die deutschen Theater, die ihn noch nicht genossen haben, ziehen und den Othello zur Freude Aller spielen wird, welche es mit der Naturwahrheit auf der Bühne ernst nehmen. Wenn es außerdem einer strebsamen Direction noch gelingt, eine Desdemona zu finden, die wirklich eine entlaufene Scnatorstochter aus Italien ist, so wird die Freude des Pnblicums vollständig sein, und wenn dieser sehr achtungswerthe Herr Jra aus Girasfia gar noch die afrikanische Naturwahrhcit so weit triebe, aus diese Senatorstochter wirklich eifersüchtig zu werden und sie in allem Ernste auf dem Theater umzubringen, so wäre das eine Höhe und ein Triumph der Kunst, worüber die Theaterkritik in einen Taumel des Entzückens gerathen könnte.
Zugleich meldet die Berliner deutsche Thcaterzcitung, daß im Winter dieses Jahres zu Fulda, welches sonst für eine ältliche achtuugswerthc Stadt von gutem Herkommen gilt, unter der Direction von Louis Neiubold zu einer Vorstellung „der Kreuzfahrer" das Publicum durch uuentgcldliche Auslosung eines schönen Lammes und zweier Geheimnisse angereizt worden ist. — Beim schwarze» Mohr säugt's a», beim weißen Lamm hört's aus.
Literatur. — Zu den zahlreichen Werken, welche eine popnlaire Behandlung der Naturwissenschaften erstreben, sind neuerdings: Asträa, Briefe über Astronomie an eine Dame, von F. E. Bernhardt, mit Holzschnitten und einer Sternkarte, gekommen: Hannover, Carl Nümplcr. 1833; und: Die Versteinerungen, deren Beschaffenheit, EntstehungSwcise und Bedeutung für die Entwickelungsgeschichte des Erdkörpcrs u.s.w. von E. A. Roßmäßlcr, mit 7 lithographirten Taseln und eingedruckten Holzschnitten. Leipzig, H. Costenoble. 1853. Dieses Blatt ist geneigt, Alles mit Freuden zu begrüßen,