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welcher er die Sclaverei-Frage erörtert. Wir wollen gern zugeben, daß dieses Interesse kein ganz reines ist, daß es vielmehr an die Begierde erinnert, mit welcher man die Mysterien- Literatur und die Modelccture der Criminalgeschichten verschlang; aber es ist doch nicht das allein. Mistreß Stowe hat sich nicht damit begnügt, eine Masse Grauel- scenen aus dem Negerlebcn zusammenhänfen; sie hat die ernsthaftesten Studien gemacht, und die Sclaverei in ihrer Unsittlichkcit von allen Seiten beleuchtet. Sie schildert wohlwollende, leichtsinnige und boshafte Selavenbcsitzer, und zeigt, daß auch unter den besten Umständen die allgemeine Schuld eines in seiner innersten Wurzel unsittlichen Instituts zugleich den Einzelnen trifft. Bon dieser Seite aufgefaßt, als gründlich realistische Zeichnung und als eine mit Innigkeit und Wärme geschriebene Apologie eines vielleicht voreiligen, aber doch im Lanfe der Zeit nicht zu umgebenden Princips ist die Schrift vortrefflich. Natürlich gehört Mistreß Stowe zu den Abolitionisten. Man mag von der entgegengesetzten Seite noch so viel einwenden, die Gefahr, die mit der Neger-Emancipation verbunden ist, die vollständige Zerrüttung des Eigenthnms u. s. w., man wird dadurch doch die zähe Hartnäckigkeit der südlichen Univnsstaaten nicht rechtfertigen. Denn die Negersclaverei ist kein Institut, das nur als ein vorübergehendes Uebel gefaßt werden könnte, das eine allmähliche Verbesserung zuließe; cö verführt vielmehr zu immer größeren Ucbclthatcn, zu immer schlimmeren Verwickelungen, und je später man den Versuch, etwas dagegen zu thun, hinausschiebt, desto schrecklicher mnß einst die Krisis werden. Wir treiben die Philanthropie keineswegs so weit, daß wir unsrer.Idee zu Liebe auf das Haupt der Pflanzer ein göttliches Strafgericht herabwünschten, aber wir müssen doch sagen, daß uuter allen abscheulichen Einrichtungen unsrer Gegenwart die Negersclaverei die schändlichste ist, und daß wir vor einem etwaigen Ausbruch zwar schaudern würden, aber nicht ohne ihn zu begreisen. Es handelt sich nicht blos um die einzelnen Gräuel, die nie zu umgehen sind, wo der Mensch nicht blos zur Sache herabgesetzt ist, wie in der antiken Sclaverei, sondern wo dnrch den Raceunterschied und die, dadurch bedingte Jndelebilität des Sclavenstandcs das unhcilige Verhältniß noch verschärft wird; eS handelt sich vielmehr um die Unsittlichkcit des Ganzen, die sich allen Einrichtungen jener Staaten aufprägt. Wo es von Gesetzes wegen bei den strengsten Strafen untersagt wird, den Negern irgend welche Erziehung angedeihen zu lassen; wo die sittlichen und gemüthlichen Verhältnisse unter den Negern selbst mit der empörendsten Willkür zerrissen werden, wo mit einem Wort der ganze Stamm systematisch demoralisirt und geistig und physisch dcpravirt wird, ist eine Beschönigung aus bloßen Zweckmäßigkeitsgründen nicht am Platz. Man kann auch den unwürdigsten Znstand ertragen, wenn man ihn als einen vorübergehenden betrachtet, sobald er sich aber durch seine eigene Natur verewigt, und nach allen Seiten hin Wnrzel schlägt, wird eine schreckliche Entwickelung kaum zu vermeiden sein. — Hier hätte das Christenthum einmal eine würdige Aufgabe: nicht unter den Negern selbst; denn was sollte eS nützen, einem Geschlecht, das unter die Thiere hcrabgedrückt wird, die Verheißungen des Evangeliums zu verkünden? sondern unter den eigentlichen Trägern dieser Ungerechtigkeit, die endlich begreifen müssen, daß wenn das Evangelium die Mühseligen und Beladenen tröstet, eS sie tröstet mit der Aussicht aus eine zukünftige Rache.
Lyrische Gedichte. — Wir haben bereits die Gedichte Walters von der Vogelweide, nach Lachmann's Ausgabe übersetzt von Weiöke (Halle, Pfeffer), erwähnt.