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er hat die Welt geschaffen und sie unbedingt geleitet, während der eigentliche liebe Gott (Agathodämon), der nach diesem Gedicht ein ziemlich dummer Teufel zu sein scheint und von Lncifer tüchtig in die Schnle genommen werden muß, müßig zusieht; aber sobald die ersten allgemeinen Abstractionen, die Wellschöpfung :c., überwunden sind, uud wir in das wirkliche Leben geführt werden, sehen wir die alte wohlbekannte MephistvphelcSmaskc vor uns. Nun hat Goethe zwar unter dieser Firma eine Reihe der vortrefflichsten uud schlagendsten Einfälle in die Welt gesetzt, aber einmal glauben wir nicht, baß es auch ihm gelungen ist, aus dicseu Einfällen einen wirklichen Charakter zusammenzusetzen, uud jede Aufmhruug des Faust, auch von den besten Künstlern, wird diese Ansicht bekräftigen; außerdem aber halten wir es-auch für überflüssig, diesen an sich ziemlich uninteressanten Charakter durch Duplicate zu vervielfältigen. Dieser geschcidte spitzbübische Bediente, der immer Alles besser wissen will, weil er beim Kleiderputzen uud dergleichen Manches sieht, was Andere nicht bemerken, und weil er seinen Herrn durch kleine Pfiffigkeiten betrügt, wird entschieden langweilig, sobald er seine Livree auszieht. Eigentlich ist er nur eine Moliere'sche Lustspielfigur: auf den Kothurn gehört er nicht. — Auf eine ähnliche Weise ist auch der andere Held des Stücks dem Fanst nachgebildet. Zwar hat er selber den Faust gelesen und macht einen entschiedenen Unterschied zwischen sich und dem Helden der Vorzeit, auch ist er eigentlich der liebe Gott, der nur von Mephistopheles in einen Menschen verwandelt ist, und diesen Umstand vergessen hat, aber das Alles sind doch nur Nebensachen, er bleibt immer nnr die alte Weltschmcrzfigur mit greisenhafter Reflexion und knabenhaftem Willen.
Daß an eine Einheit der Handlung, an einen innern Zusammenhang der Ereignisse unter diesen Umständen nicht zu denken sein wird, versteht sich von selbst. Auch hier hat die gewöhnliche Fanst'sche Schablone wieder zum Vorbild gedient. Als Kunstwerk im Ganzen müssen wir also dieses Gedicht verwerfen, uud lassen uus auch nicht durch den Umstand irren, daß es sich nnr als erster Theil bezeichnet, denn La cS nicht die geringste Spannung hinterläßt, so würde auch ein glänzender ausgeführter zweiter Theil die Fehler deö ersten uicht wieder gut machen.
Anders müssen wir aber urtheilen, wenn wir die poetische Kraft, die in diesem verfehlten Versuch verwendet ist, iuö Auge fassen. Hier finden wir ein sehr bedeutendes lyrisches Talent, und einzelne Stellen, phantastische Natur- schildernngen, aber auch Reflexionen sind vollkommen poetisch durchgeführt. Ob der Dichter auch die größere Kraft besitzt, wirkliche Gestalten zu concipiren und sie iu's Leben zu setzen, können wir noch nicht beurtheilen, denn vorläufig hat er sich nur unter Schatten bewegt. Auch sein Styl ist durch den Versuch, Goethe nachzubilden, häufig verkümmert worden. Daß er aber, wenn er seiue eigene Sprache redet, ein gutes uud kräftiges Deutsch zu handhaben versteht, das wollen wir an einem Beispiel zeigen, welches wir uicht aus einer der specifisch
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