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Berliner Kunstausstellung :
(Historische Gemälde.)
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Berliner Kunstausstellung.

(Historische Gemälde.)

H. Hofmann: König Enzio im Kerker zn Bologna von seiner Geliebten getröstet. Dieses Bild hat leider einen so schlechten Platz auf der Ausstellung, daß man nur durch sehr künstliche Bemühung zu einer Stelle gelangt, von der aus man es, ohne von allen Seiten durch Streiflicht geblendet zn werden, und anch da nicht ohne Hindernisse betrachten kann. Wir können bei dieser Ge­legenheit nicht umhin, eine anch bei anderen Bildern vorkommende Ungerechtigkeit zn rügen, mit der oft verdienstvolle Bilder jüngerer (namentlich nicht in Berlin, einheimischer) Künstler behandelt werden, während mittelmäßige und selbst schlechte Bilder aus irgend welcher Rücksicht, sei für einen ehemals geltenden Namen oder durch Connexionen, die besten Plätze erhalten. Wir fürchten, daß sich nicht Alle diese Mühe gegeben, einen passenden Standpunkt aufzusuchen, und es ist wahrlich schade,, da das Bild große Lorzüge hat. Gnt ist namentlich Ausdruck und Bewegung des jungen Königs, der nach dumpfem Brüten sein Haupt, das in die Hand gestützt war, vom Lager erhebt, um vielleicht dem tröstenden Ge­sänge sein Ohr zu erschließen, wenn auch noch das ganze trübe Bewußtsein seines uuglücklichen Schicksals seine Züge beherrscht. In seiner Geliebten wünschten wir mehr das Bestreben ausgedrückt, die Gefangenschaft Enzio's zn erleichtern und zu versüßen; sie scheint selbst zu sehr in die Schwermut!) des Königs hineingezogen, als daß wir glauben können, sie werde ihn sür einige Momente über sein Schicksal hinwegheben; ein wenig mehr von der Grazie liebevoller Bemühung, wenn auch mit einem Zug von trübem Ernst gemischt; denn daß er jenen Ausdruck, den wir angedeutet wünschten, nicht vorwalten ließ, darin erkennen wir einen sichern Takt, wie wir überhaupt in dem ganzen Bilde die seine Absicht des Künstlers ehren, wenn auch der Ausdruck derselben nicht überall unsrem Wunsche entspricht. Von seiner Empfindung zeugt eben so sehr das gedämpfte kalte Licht, das in den Kerker dringt und die Figuren nur matt beleuchtet, und die vortrefflich gelungene Andeutung der feuchten Kerkerluft, als die harmonische Farbenstimmung, nament­lich in den Stoffen, die überall von gebrochenem uud eutschiedenem Ton, bei Enzio einen ernstem, bei seiner Geliebten einen zartem Charakter tragen. Die Zeichnung ist fast überall schön und außerordentlich delicat, die Verhältnisse edel, nur wünschten wir hierin, namentlich bei Enzio, der gar zu schlank ist, etwas weniger Eleganz, die anch in den Bewegungen der Glieder, z. B. in Enzio's rechter Hand, nicht angenehm auffällt; das ganze Bild bekommt dadurch ein etwas weiches und fast modernes Ansehn, wir wünschten ihm mehr Energie und Charakter.

I. P. Bähr, Iwan Wasiljewitsch dem Schrecklichen, Czar von